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1. Egyptisches.

Iii

wiederum an die natürliche Erscheinung von Nymphaea Lotus an. Sie
beruht auf der Wahrnehmung', dass die vier Kelchblätter dieser Blüthe
häufig sich nach unten einrollen, so dass eine solche Blüthe in der
Seitenansicht in der That einen von zwei seitlichen Voluten gebildeten
Kelch zeigt, aus dem sich der Blätterbüschel der Krone erhebt (Fig. 18).
Die Erklärung besticht durch ihre Einfachheit und scheinbare Exaktheit.
Wenn man aber erwägt, dass das Motiv des Volutenkelches in der
stilisirten Blumenornamentik aller späteren Völker und Stile, nicht bloss
des Alterthums, sondern auch des Mittelalters, insbesondere des sarace-
nischen, und noch in der neueren Zeit bis auf unsere Tage eine so
überaus wichtige Eolle gespielt hat, so hält es schwer, seinen Ursprung
auf eine mehr zufällige Erscheinung zu-
rückzuführen . wofür wir das Einrollen
der Kelchblätter von Xymphaea Lotus
wohl aufzufassen haben. Es muss dem
Motiv etwas Dauerhaftes, Gemeingiltiges,
Klassisches zu Grunde gelegen haben,
dass dasselbe überall so gleichmässig
Aufnahme finden und durchdringen Hess.

Wodurch nun die Lotusblüthe mit
Volutenkelch sich von dem Typus mit
geraden Kelchblättern (Fig. 7) im künst-
lerischen Effekt unterscheidet, ist die
schärfere Trennung zwischen Kelch und
Krone. Und in der That lässt sich ein
künstlerisches Postulat namhaft machen,
das, wie zahlreiche Denkmäler lehren,
bei den Altegyptcrn mindestens in der
Zeit des Neuen Reiches ausserordentliche
Berücksichtigung gefunden hat, und das eine Accentuirung der Kelch-
form geradezu forderte. Bevor ich aber dieses Postulat des Näheren
kennzeichne, erscheint es mir geboten, die übrigen zwei Bestandteile
der egyptischen Palmette zu diskutiren, wobei auch die tropfenförmigen
Füllungen, die in die Zwickel der besprochenen Voluten eingesetzt er-
scheinen, ihre Erklärung finden werden.

Haben wir im Volutcnkelch eine Seitenansicht gegeben, so ist der
bekrönende IJlatt/ächcr von Fig. 16 (e) offenbar mit der Projektion der
Rosette (Fig. 12) zusammenhängend. Dieser Fächer giebt sich in der
That als ein Ausschnitt aus der Bosette. Goodvear hat auch bei seiner

Fig. 18.

Lotusblüthe (in Katar) mit überfallenden
Kelchblättern. Nach Goodyear.
 
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