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2. Mesopotamisches.

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assyrischen Kunst zuerst die für die spätere Entwicklung
der Künste bei den Mittelmeervölkern40) so fundamentale
Scheidung zwischen Bordüre und Decke, Rahmen und Fül-
lung, statisch Funktionirendem und statisch Indifferentem
in mehr oder minder bewusster Weise durchgeführt sehen.
Auch bei den Egyptern gewahren wir die figürlichen Darstellungen in
der Fläche von Säumen eingefasst, doch sind diese Säume, mit sehr
gelingen Ausnahmen, von höchst einfacher Musterung, die sich im
"Wesentlichen bloss auf gereihte Stäbchen oder auf Zickzacklinien41)
beschränkt. In ganz besonders bezeichnender Weise äussert sich diese
schwache Seite des ornamentalen Sinnes bei den Egyptern an den-
jenigen Stellen, wo zwei Säume unter einem rechten Winkel aufein-
anderstossen, wo es sich also um eine Ecklösung handelt. Häufig
sind beide auf einander stossende Säume ungleich gemustert und laufen
sich einer an dem anderen todt42). Bei den Assyrern gewahren wir
dagegen zum ersten Male ein konsequent durchgeführtes System einer
gleichmässigen Umrahmung, unter Berücksichtigung einer künstlerisch
befriedigenden Ecklösung43). Damit steht in engstem Zusammenhange
der Umstand, dass die Assyrer jene Anläufe, die die Egypter mit dem
vegetabilischen Element und mit den Versuchen einer gefälligen Ver-
bindung desselben gemacht hatten, ihrerseits mit Entschiedenheit auf-
genommen und in weit umfassenderer und bestimmterer Weise zur An-
wendung gebracht haben.

Die Elemente der assyrischen Pflanzenornamentik wurzeln in der
egyptischen. Ich sehe wenigstens nirgends eine Nöthigung vorhanden,
um mit Sybel annehmen zu müssen, dass das in der Kunst des Neuen

40) Zu den Mittelmeervölkern in kulturhistorischem Sinne müssen wir
auch die Bewohner Mesopotamiens und Irans zählen, da sie allezeit sowohl
in ihren politischen als in ihren religiösen Beziehungen nicht nach dem Osten
Asiens, sondern nach dem Mittelmeere g-ravitirten.

u) Am besten gelingt es noch an Werken der sogen. Kleinkunst, z. B.
an den bei Prisse dAvennes, Boites et ustensiles de toilette abgebildeten höl-
zernen Löffeln, die von einer Zickzacklinie eingefasst sind.

42) Anläufe zu Ecklösungen an Plafonddekorationen zeigen: Prisse
dAvennes, Guillochis et meandres, links oben in der Ecke, mit Zickzack;
ebendas. postes et ileurs, links unten in der Ecke, mit dem Vorläufer des
Eierstabs (Fig. 23). Diese Beispiele beweisen, dass das zu Grunde liegende
künstlerische Postulat auch den Altegyptern bereits klar geworden war, aber
von ihnen noch nicht zur absoluten Geltung und konsequenten Durchführung
gebracht worden ist.

4:') Vgl. z. B. die Steinschwellc Fig. 34 nach Layard, Ninive II. 56.
 
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