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1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. 301

meintliehen persischen Kunstvolks sehen möchten, fragen wir aber:
wann, unter welchen Verhältnissen soll sich diese „nationale" Kunst
entwickelt haben? Mit der persischen Kunst der Achämenidenzeit
die wir ja im 3. Kap. (S. 109) kennen gelernt haben, hat die Ornamentik
der Sassanidendenkmäler Nichts zu thun. Sollte diese durch die
Partner aus Centraiasien gekommen sein? Von dort ist aber, wie wir
von Türken undMongolen wissen, niemals etwasAnderes als Geometrisches
nach dem Westen gelangt. Es bliebe somit nur die Annahme, die
Perser hätten parallel mit der griechisch-römischen Pfianzenrankenor-
namentik eine eigene aus dem Nichts heraus gebildet, hätten in wenigen
Jahrhunderten aus eigener Kraft den ganzen Gang der Entwicklung
durchgemacht, wozu die übrigen Kunstvölker des Alterthums, wie wir
gesehen haben, zwei Jahrtausende gebraucht haben. Eine solche An-
nahme wird aber schwerlich viele Anhänger finden.

Der Akanthus trägt an Fig. 1G1 und 1G2, wie erwähnt, eine natu-
ralisirende, üppige, römische Form zur Schau. Die vom vollen Blatt
abgezupften schematischen Zacken der frühbyzantinischen Kunst treffen
wir an einem anderen sassanidischen Kapitäl, wovon wir ein Detail in
Fig. 164 wiedergeben. Dasselbe erscheint auf den ersten Blick völlig
saracenisch; und doch linden wir daran bei näherem Zusehen kein
Detail, das uns nicht von frühbyzantinischen Denkmälern her bekannt
wäre. So die gesprengte Palmette unten (vgl. Fig. 148), das Dreiblatt
in der Mitte (vgl. Fig. 143), dessen rundovale Umschreibung sogar
noch antiker ist als die herzförmige in Fig. 162, und endlich das Paar
von divergirenden Dreiblättern oben (vgl. Fig. 143). Wir ersehen
daraus, wie nahe bereits die frühbyzantinische Weise der sara-
cenischen steht, und wie gleichmässig sich der Process in
allen von der oströmischen Kunst beherrschten Gebieten an-
gebahnt hat. An den Blumen- und Blattmotiven blieb in der That
nicht mehr viel zu ändern, um zur reinen Arabeske zu gelangen: nur

Fig. 164.

Detail von einem persischen Kapitäl aus der Sassanideuzeit.
 
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