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Rieser, Ferdinand
Des Knaben Wunderhorn und seine Quellen: Einleitung und allgemeiner Teil — Dortmund, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.52960#0005
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I. KAPITEL

THEORIE — ENTSTEHUNG UND WANDLUNG
DES PLANES - ABSICHTEN
Theoretische Ausführungen, öffentliche Anzeigen und Briefe
ermöglichen es uns, die Gründe und Absichten zu beleuchten,
welche die beiden jungen Dichter Arnim und Brentano bei der
Sammlung und Herausgabe alter deutscher Lieder geleitet haben.
Wie Herder seinen Volksliedern eine Einleitung voraus-
schickte, so gab Achim von Arnim dem ersten Bande des
Wunderhorns als Anhang eine Abhandlung „von Volksliedern“
mit auf den Weg. Während jener aber seine Auffassung vom
Volksliede als volksartigem Gesänge, der nach Form und Inhalt
der Kultur des Volkes entspricht und nur dessen Gedanken,
Leidenschaften und religiöse Anschauungen in sich aufnimmt,
zu klarem Ausdrucke bringt und dann im weiteren diese
Art Lied bei den Griechen, Römern, Deutschen und übrigen
großen europäischen Nationen verfolgt, ist es dem Romantiker
noch nicht gelungen, seine Gedanken abgeschlossen, in klarer
Form wiederzugeben. Er hatte es noch nicht vermocht, der
großen Versuchung auszuweichen, alle Elemente seiner noch
unklar alles umfassenden Weltanschauung zum vorliegenden
Thema in Beziehung zu bringen; deutsche Geschichte, deutsches
Staats- und Standesleben, Religion und Philosophie und Dichtung
werden uns in eigener Beleuchtung gezeigt, nach und neben-
einander, und oft verlieren wir den Weg, da uns der Autor
absichtslos auf Nebenpfade führt, um ein zufälliges Wort oder
Bild weiter zu verfolgen. Infolgedessen wäre es sehr schwierig,

Rieser, Des Knaben Wunderhorn.

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