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Resten auf einem Felsblock zu knien, wozu auch die Gewandlinien passen würden, die deutlich vom Rücken
her dorthin führen. Das linke Bein ist weit zurückgestellt und berührt nur noch wie in eiligem Laufe mit der
Spitze den Boden. Diese Anhaltspunkte führen zu der von unserem Zeichner versuchten Ergänzung. Wahr-
scheinlich liegt ein mißglückter Versuch des Künstlers vor, dem tief untenstehenden Beschauer auch das linke
Bein sichtbar zu machen und es ist die Figur auf ihrem Felsensitz knieend gedacht. Die zweite Nymphe scheint
weit ausschreitend ihrer Schwester zu Hülfe zu eilen. Mit beiden Händen faßt sie den Oberarm des Jünglings,
als wollte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn hängen, ihn herabziehen und zugleich hindern, seinen Stab
zur Abwehr zu benutzen. Ihr über die rechte Schulter hängendes Gewand bauscht sich hinter ihrem Körper,
der vollkommen nackt hervortritt. Vielleicht schlang es sich so um ihr linkes Bein, wie in unserer Ergänzung
angenommen ist.
Abb. 58. Südgiebel. Hylas und die Nymphen.
Als imago pueri, quem genfi duo alati manibus extollunt beschreibt Herold unser Bild. Auch auf Bacchus
wurde die Mittelfigur gedeutet. Die richtige Deutung auf Hylas Raub durch die Nymphen ist schon längst
gegeben. Sie findet sich schon bei Goethe, dann bei O. Jahn1) und R. Rochette. Über die Darstellungen des
Mythus gibt eine bequeme Übersicht G. Türk2). Wenn man von dem Bilde aus der Basilika von Herculanum
(Hermann-Bruckmann, Denkmäler d. Malerei IV 9 Taf. 87) absieht, das ganz für sich steht, so sind sie bei aller Ver-
schiedenheit im Einzelnen doch alle durch so viel gemeinsame Züge verbunden, daß man eine frühzeitige her-
vorragende Komposition als letzten Grundes in allen fortlebend annehmen möchte3). Haltung und Bewegung
des Hylas ist, abgesehen von geringen Modifikationen im einzelnen, Vertauschen der Seiten usw., immer die gleiche.
Auch bei den zwei oder drei Nymphen, die ihn packen, treten, wenn auch in wechselnder Gruppierung, immer
wieder die gleichen Typen auf. Meist erscheint Hylas in symmetrischer Komposition von zwei Nymphen um-
geben, die ihn ergreifen. Gedacht ist wohl, daß sie vorher auf dem Felsen an der Quelle geruht hatten. Diese
Situation tritt besonders deutlich gerade in dem Giebelbild von Igel hervor. Ohne im einzelnen auf einen Ver-
gleich der verschiedenen, den Mythus darstellenden Bilder einzugehen, stellen wir nur fest, daß auch hier keine
freie Erfindung des Künstlers von Igel vorliegt, sondern daß er abhängig ist von damals geläufigen Typen und
sie benutzt.
x) Vergl. O. Jahn, Bonn. Jahrb. XI 1847 S. 63 f., Raoul Ro-
chette, Choix des peintures S. 204 Taf. XV.
s) Bresl. philol. Abh. VII, 4.
3) Ein Hylasgemälde wird bei Petron (83) erwähnt. Aber
weder kann man es mit Sicherheit mit einem der ebenda ge-
nannten drei großen Künstlernamen Zeuxis, Protogenes und
Apelles verbinden, noch haben diese letzteren kunstgeschichtliche
Gewähr. Dem ungebildeten Protz sind natürlich die größten
Namen gerade gut genug für seine Bilder.
Resten auf einem Felsblock zu knien, wozu auch die Gewandlinien passen würden, die deutlich vom Rücken
her dorthin führen. Das linke Bein ist weit zurückgestellt und berührt nur noch wie in eiligem Laufe mit der
Spitze den Boden. Diese Anhaltspunkte führen zu der von unserem Zeichner versuchten Ergänzung. Wahr-
scheinlich liegt ein mißglückter Versuch des Künstlers vor, dem tief untenstehenden Beschauer auch das linke
Bein sichtbar zu machen und es ist die Figur auf ihrem Felsensitz knieend gedacht. Die zweite Nymphe scheint
weit ausschreitend ihrer Schwester zu Hülfe zu eilen. Mit beiden Händen faßt sie den Oberarm des Jünglings,
als wollte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn hängen, ihn herabziehen und zugleich hindern, seinen Stab
zur Abwehr zu benutzen. Ihr über die rechte Schulter hängendes Gewand bauscht sich hinter ihrem Körper,
der vollkommen nackt hervortritt. Vielleicht schlang es sich so um ihr linkes Bein, wie in unserer Ergänzung
angenommen ist.
Abb. 58. Südgiebel. Hylas und die Nymphen.
Als imago pueri, quem genfi duo alati manibus extollunt beschreibt Herold unser Bild. Auch auf Bacchus
wurde die Mittelfigur gedeutet. Die richtige Deutung auf Hylas Raub durch die Nymphen ist schon längst
gegeben. Sie findet sich schon bei Goethe, dann bei O. Jahn1) und R. Rochette. Über die Darstellungen des
Mythus gibt eine bequeme Übersicht G. Türk2). Wenn man von dem Bilde aus der Basilika von Herculanum
(Hermann-Bruckmann, Denkmäler d. Malerei IV 9 Taf. 87) absieht, das ganz für sich steht, so sind sie bei aller Ver-
schiedenheit im Einzelnen doch alle durch so viel gemeinsame Züge verbunden, daß man eine frühzeitige her-
vorragende Komposition als letzten Grundes in allen fortlebend annehmen möchte3). Haltung und Bewegung
des Hylas ist, abgesehen von geringen Modifikationen im einzelnen, Vertauschen der Seiten usw., immer die gleiche.
Auch bei den zwei oder drei Nymphen, die ihn packen, treten, wenn auch in wechselnder Gruppierung, immer
wieder die gleichen Typen auf. Meist erscheint Hylas in symmetrischer Komposition von zwei Nymphen um-
geben, die ihn ergreifen. Gedacht ist wohl, daß sie vorher auf dem Felsen an der Quelle geruht hatten. Diese
Situation tritt besonders deutlich gerade in dem Giebelbild von Igel hervor. Ohne im einzelnen auf einen Ver-
gleich der verschiedenen, den Mythus darstellenden Bilder einzugehen, stellen wir nur fest, daß auch hier keine
freie Erfindung des Künstlers von Igel vorliegt, sondern daß er abhängig ist von damals geläufigen Typen und
sie benutzt.
x) Vergl. O. Jahn, Bonn. Jahrb. XI 1847 S. 63 f., Raoul Ro-
chette, Choix des peintures S. 204 Taf. XV.
s) Bresl. philol. Abh. VII, 4.
3) Ein Hylasgemälde wird bei Petron (83) erwähnt. Aber
weder kann man es mit Sicherheit mit einem der ebenda ge-
nannten drei großen Künstlernamen Zeuxis, Protogenes und
Apelles verbinden, noch haben diese letzteren kunstgeschichtliche
Gewähr. Dem ungebildeten Protz sind natürlich die größten
Namen gerade gut genug für seine Bilder.