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Röttinger, Heinrich
Dürers Doppelgänger — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 235: Strassburg: J. H. Ed. Heitz, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.69949#0281
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1513. Ich habe oben dargetan, dass auf die Säule des Schnittes
die zwölf ornamentalen Stiche des Zoan Andrea B. XIII, S. 306
ff., 21 — 32 von hohem Einfluss waren. Ihr Leben pulsiert auch
in den Balustern des Grabes. Die Vasen der Stiche, regelmäs-
sig das dritte Glied im Aufbau jeder einzelnen Füllung, waren
bestimmend für die allgemeine Gestaltung der Baluster-Körper,
die Deckel der Vasen boten die Winke für die Bildung der
Zwischenglieder, die von den Körpern der Baluster zu den in
demselben Geiste komponierten Säulenschäften überzuleiten
hatten. Dass unmittelbar aufzuzeigende Entlehnungen aus den
Stichen nur ganz vereinzelt in den gegossenen Balustern
erscheinen (die offenkundigste ist die der Ausbauchung des
Balusters der Nordseite, von dem rechts das nackte Knäblein
mit dem Vogel auf der ausgestreckten Rechten sitzt, aus Jess.
28,2), besagt doch nur, dass der ausführende Künstler den Geist
seiner Vorlage sich völlig anzueignen verstanden hatte. Wer
war der ausführende Künstler? Ohne Frage Peter der jüngere.
Ich verweise nur auf eines: der Körper des mit dem Zeichen
jenes versehenen Stanmore - Tintenfasses (Daun Abb. 46) könn-
te, ohne mit einer der Baluster - Vasen thematisch verwandt zu
sein, mutatis mutandis gegen jede ausgewechselt werden we-
der zum Schaden des Grabes noch des Schreibzeuges.
Der 1506 oder 1507 aus Italien Heimkehrende wird
es auch gewesen sein, der die angezogenen Stiche nach
Nürnberg mitbrachte. Es ist für den Stand der künstle-
rischen Verfassung des Birgittenmeisters, Dürers und des
jungen Peter bezeichnend, wie jeder von ihnen sich zu
der neuen Offenbarung stellt. Die Nutzanwendung, die
der Birgittenmeister von den Stichen macht, tritt zuerst in
die Erscheinung, weil sie die oberflächlichste ist: er wählt aus
ihrer Motivenfülle zwei Stücke aus, mit denen er den Pluviale-
rand des hl. Lazarus im Jabach-Altäre, an dem er eben arbei-
tet, dekoriert. Die unmittelbaren Zeugnisse des tiefgehenden,
durch alles, was er sonst in Italien gesehen und gelernt hatte,
aufs beste fundierten Studiums, das Peter der jüngere sofort
den Stichen zu widmen beginnt, die Modelle der allmählich
entstehenden Sockelpartien des Grabes, sind uns verloren. Aus
den Modellen mindestens — denn darüber, wann sie in Erz um-
gesetzt wurden, sind wir ununterrichtet — erwächst auch dem
H.n

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