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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0142
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VII. Die alteften Lnndfchaftsmaler.

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gründe, Häufer erhalten nicht eine bläuende Tinte, die zart in das Grün
übergeht, fondern eine hellblaue Farbe, die ficli fcharf gegen den Vorgrund
abhebt. Gegen den äufserften Horizont hin wird diefs Blau graulich und ver-
fchmilzt da mit dem Himmel, welcher gegen den Horizont eine weifsliche
Färbung hat, nach oben zu hellblau und endlich hochazur wird. Der Maler ver-
lieht dabei die Kunft noch nicht, die Erftreckung des Terrains fichtbar zu machen:
ftatt nemlich dasfelbe in horizontaler Perfpective mit zurückgehender verduften-
der Fernficht wiederzugeben, läfst er die verfchiedenen Pläne übereinander
fich erheben, fo dafs man die Fluren über den Häufern und die Waffer über
den Bergen zu fehen bekommt.

Bei den unmittelbaren Nachfolgern der van Eyck finden wir diefelbe
Auffaffung der Landfchaft, wenn fie auch in ihren Werken eine viel unterge-
ordnetere Rolle fpielt als in der Anbetung des Lammes. Auch bei Maffijs
macht fich die alte Ueberlieferung noch in voller Kraft geltend. In der Grab-
legung findet man wie bei den van Eyck’s die Felslandfchaft mit ihren Heilen
Wänden mit ihren Bäumen und Gebäuden auf dem Rücken der Flügel in
fcharfen ungemilderten Tinten und in miniaturartiger Ausführlichkeit. Wie der
Hintergrund durch reich detaillirten Hausrath, Teppiche, Säulen und dgl. ge-
bildet wurde, wenn die Scene im Innern eines Haufes vor fich gehen follte, fo
bildete der Künftler, wenn fie unter freiem Flimmel ftattfand, mit clerfelben
Ausführlichkeit und Wahrheitsliebe Gras und Blumen, Bäume und Felfen,
Schlöfser und Städte nach. Bis dahin, das ift bis 1510, war die Landfchaft von
der Hiftorienmalerei noch nicht gefchieden.

Um diefe Zeit jedoch änderte fich das. Einerfeits begann man die Land-
fchaft für fich felbft zum Gegenftande eines Bildes zu machen, andererfeits
machte man die Figuren unabhängig von ihrer Umgebung und. zum ausfchliefsen-
den Gegenftande der Gemälde. Zwei von den Ufern der Maas herftammende
Maler, Henri met de Bles, geboren 1480 zu Bouvignes, und Joachim de Patinir,
ein Jahrzehnt fpäter zu Dinant geboren, waren die erften, welche der Land-
fchaft das Uebergewicht in ihren Arbeiten einräumten.

Henri MET de Bles hatte diefen Namen von dem weifsen Haarbüfchel
(Bles) am Vorderhaupt; die Italiener nannten ihn Civetta (Eule) weil er die Ge-
wohnheit hatte in feinen Stücken eine Eule als Kennzeichen anzubringen. Er
mufste um feinen Beinamen zu erhalten, geraume Zeit im vlämifchen Gebiete
verbracht haben, als fpezieller Ort liiefür wird aber einmal Antwerpen, dann
wieder Mecheln angegeben.

Eine gute Vorftellung von feiner Richtung gibt die Tafel, welche das
Mufeum von Antwerpen (Nr. 47) von ihm befitzt. Es heifst die »Ruhe auf
der Flucht nach Aegypten« und ftellt die Mutter Gottes dar, die in einer Land-
fchaft ihr Kind ftillt. Hinter ihr rechts fieht man einen dichten düfteren
Wald, in welchem die Sonne mit ihren Strahlen nicht durchdringt, links be-
merkt man eine Landfchaft, die wie in regelmäfsig abgemeffenen Stufen emp.or-
fteigt, dahinter gewahrt man eine Stadt mit Kirchen und Mauern. Der Wald
ift fchwarzgrün, zu fchwerer Maffe verdichtet, aber in den Bäumen forgfältig
gezeichnet. Die Felfen des Vorgrundes find violettgrau und mit dunkelbraunem
fammtartigem Moofe bedeckt, auf dem hellen Vorgrunde zeichnet das dunkle
Gras einen fcharfen faft fchwarzen Streifen ab. Die ftufenförmige Land-
fchaft im Hintergründe hat eine blaugrüne Färbung. Die wirkliche Farbe der
Natur ift demnach nicht entfernt getroffen und ebenfo wenig das Spiel von Licht
und Perfpective. Das Ganze fieht unwahr, gekünftelt und fteif aus, und verräth
zwar das Beftreben, die Natur für fich felbft zum Gegenftande zu nehmen, aber wenig
 
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