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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0143
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Henri met de Bles. Joachim de Patinir.

IIS

Glück in der Verwirklichung diefes Vorhabens. Da war die feine, gefchickte
Landfchaft der Aelteren, wieviel Unwahrheit auch in derfelben lag, doch weit
kunftvoller und geniefsbarer.

Eine zweite Behandlung desfelben Gegenftandes finden wir in den Uffizien
von Florenz (Nr. 730). Im Vorgrunde fieht man eine Schmiede, in welcher
viele Leute an der Arbeit find, und dahinter gewaltige Felfen mit einer Burg
dazwifchen. In der Ferne bemerkt man noch Waffer und Schiffe. Ein Mann,
welcher ein Frau und Kind tragendes Pferd führt, an fich eine fehl- unterge-
ordnete Gruppe, deutet allein den Gegenftand an. Hinfichtlich der Ausführ-
ung ift das Stück herrlich und fleht unendlich über dem Antwerpen’ fchen, auch
befitzt es eine Feinheit und Wärme des Tones, welche anBofchund den älteren
Brueghel denken läfst.

JOACHIM DE Patinir verbrachte wie de Bles feine erfte Jugend an den
malerifchen Ufern der Maas, in einem Gebiete, wo der Strom fich zwifchen
bewachfenen Bergen, nackten Felfen und durch frifche Thäler hindurch krümmt,
hier lachende und fonnige Plätzchen, dort romantifche und diiftere Winkel
zeigend, einmal eng eingezwängt, dann wieder durch eine Fläche fich hinziehend,
die fich foweit das Auge reicht ausdehnt. Diefes anziehende Land fcheint
Beider Geift angeregt zu haben, das was fie Schönes in der Natur fallen, auf
ihre Tafel zu übertragen und fo auch Andere bewundern und geniefsen zu laffen.
Ihren Landfchaften ift denn auch der Stempel der Heimat der Künftler tief
aufgeprägt. Wellige Gründe, zwifchen Bergen gelegene Waffer, bewachfene
Hügel, zackige Felfen, immer verfchiedene Situationen und unermefsliche Fern-
fichten findet man bei ihnen wie bei den van Eyck’s die auch Söhne des Maas-
Ufers waren.

Joachim de Patinir, zu Dinant geboren, wurde 1515 in Antwerpen als
Freimeifter der St. Lucasgilde eingetragen. Er vermählte fich dafelbft in erfter
Ehe mit Franziska Buyft und kaufte gemeinfchaftlich mit ihr am 31. März
1520 ein in Gafthuisftraat belegenes Plaus. Am 5. Mai 1521 heiratete er in
zweiter Ehe Johanna Noyts, welche ihm zu den zwei Töchtern erfter Ehe noch
eine dritte fchenkte, aber fchon 1524 Wittwe war. Wie foviele andere nieder-
ländifche Künftler gilt auch Patinir nach den fummarifchen Fabeln, die Kette
und Einfchlag in dem Gewebe der Lebensbefchreibungen der niederländifchen
Maler ausmachen, für einen üblen Trunkenbold und forglofen Geklverfchwender.
Die Gefchichte liefert uns von ihm fehl- gegentheilige Zeugnifse. Er war ein
Mann, der fich in einer der vornehmeren Strafsen ein Haus kaufte. Und als'
Albrecht Dürer 1S20—1521 in Antwerpen verweilte, hatte er mit keinem andern
Künftler fo gefelligen Verkehr als mit Patinir. Er afs bei ihm, machte
fein Porträt, fchenkte ihm von feinen Stichen, wohnte feiner zweiten Hochzeit
bei und fprach überall mit Freundfchaft und Hochachtung von ihm. Als dann
Patinir geftorben war, trat unter den Freunden und Vormündern feiner minder-
jährigen Kinder auch Quinten Maffijs auf. Wie wäre zu begreifen, dafs der
ernfte und fparfame Dürer mit einem Trunkenbold fich vergefellfchaftet, und
dafs der würdige und gereifte Maffijs einen folchen feinen Freund genannt
hätte ? Wir wiffen zwar wenig von Patinirs Lebensumftänden, aber genug um
ihn von diefer leichtfinnigen Verleumdung frei zu fprechen.

De Patinir gab zuerft der Landfchaft eine überwiegende faft ausfchliefsende
Stellung. In den beften feiner Stücke, wie in feiner »Flucht nach Aegypten«
im Mufeum zu Madrid (Nr. 1519 und 1520) find die Scenerien fehr felfig, die
Bäume und andere Details mit der gröfsten Sorgfalt ausgeführt, die Schatten
aber im Allgemeinen zu fchwer. Seine Vorliebe für ftark bewegte Naturan-
fichten wie er fie aus feiner Heimat mitgebracht, liefs ihm das einfache flache

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