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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0165
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VIII.

Rubens’ Vorgänger.

er Einflufs, welchen die italienifche Nachfolge ausübte, war
wie wir bereits gefehen haben, für diejenigen, welche ihn
zuerft erfuhren, verderblich gewefen. Rubens, der die Eigen-
thümlichkeiten der italienifchen und vlämifchen Kunft in
eine höhere Urfprünglichkeitzufammenzufaffen wufste, brachte
bei allen denen, die ihn umgaben oder in feiner Werkftatt
verkehrten, eine Umwandlung zu Wege, welche die Ant-
werpifche Schule gänzlich unabhängig machte. Auf diefe neue
Epoche drückte er feinen Stempel und das ganze 17. Jahrhundert 'wie alles Gute
was das 18. Jahrhundert hervorgebracht, trägt die unverkennbare Spur feiner
Thätigkeit. Aber ein Rubens erfchien nicht plötzlich, nicht unangemeldet. Der
neue Tag, deflen Sonne er fein follte, röthete fchon vor feinem Anbruch
allmälig den Horizont in vielverfprechender Klarheit. Ehe wir indefs in Be-
trachtung ziehen, wer fich um die Zeit diefer Morgendämmerung hervorthat,
und fich wenigftens theilweife des fremden Einflufses zu entledigen wufste um
einem Rubens die Wege zu bahnen, fei noch ein Wort von der Veränderung
gehaftet, welche Antwerpen in der Periode, in die wir nun eintreten, auf
politifchem wie focialem Gebiete zu erleiden hatte.

Beinahe ein ganzes Jahrhundert liegt zwifchen dem Jahre 1561, dem
Plöhenpunkt von Antwerpens Blüthe und dem Vorabend des Aufftandes gegen
Spanien, und dem 1648, dem Jahre des Friedensfchluffes, der diefem langen
Kampfe ein Ziel fetzte, ein Jahrhundert von Unglücksfällen ohne Zahl, von
fchonungslofen Kriegen, von unvergleichlichen Leiden. Fünfundzwanzig Jahre
fchwangen die furchtbarften Dämonen, welche die Gefchichte der Menfchheit
kennt: religiöfe Wirren, Bürgerftreit, Krieg und Hungersnoth ihre Fackeln über
den niederländifchen Gefilden. Mord, Brand, Plünderung, Belagerung und
Zwingherrfchaft häuften in den Mauern ihrer Städte. An jeder Seite der
Gefchichte diefer Tage klebt Blut, und Rückgang und Verarmung ift das
Schlufswort jedes Capitels. Und als die Ruhe einigermaffen hergeftellt und
der Rauch der Scheiterhaufen und Schlachtfelder verweht war, da war das
Land kirchlich und politifch vergewaltigt, feiner tüchtigften Söhne und feiner
reichften Wohlfahrtsquellen beraubt, und die Bevölkerung lag wie ein abge-
hetztes Wild wehrlos, lechzend und erfchöpft darnieder, ergeben in ihr herbes

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