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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0166
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VIII. Rubens’ Vorgänger.

Schickfal, keine Hilfe von den Menfchen erwartend und die Augen fchliefsend,
um im Schlummer der Betäubung das Leid von geftern zu vergeffen und von
einem froheren Morgen zu träumen.

1561 war der Wendepunkt von Antwerpens materieller Gröfse gewefen.
Schon ein Jahr darauf wurde feine Bürgerfchaft durch die Ankündigung aufge-
fchreckt, dafs die Inquifition ihren mörderifchen Richterftuhl in ihren Mauern
auffchlagen werde. Antwerpen, eine Weltftadt freien Verkehrs, Kaufleuten und
Befuchern aller Länder und Religionen geöffnet, im Mittelpunkte zwifchen der
grofsen Gruppe der reformirten Lande deutfcher und englifcher, franzöfifcher
wie fcandinavifcher Zunge gelegen, mufste wohl eine Triebftätte für die
religiöfe Neuerung werden. In ihren Mauern waren die zwei erften Märtyrer
der Lutherifchen Lehre 1522 auf den Scheiterhaufen geftiegen, und feitdem
hatten von Jahr zu Jahr die kaiferlichen Haftbefehle neue Schlachtopfer gefordert.
Doch waren die Verfolgungen um des Glaubens willen, wie fie die ftädtifche Ob-
rigkeit vollzog, nicht von der Unerbittlichkeit und Spürkraft, wie fie die geilt -
lichen Richter nach ihrer eigenen Art und Kraft ihres Amtes kennzeichnen
follte, und fo kam es, dafs man, als fich die Kunde von der bevorftehenden
Einführung der Inquifition in Antwerpen verbreitete, diefe als ein öffentliches
Unglück abzuwehren fuchte. Allmälig hatten fich aber aus der Fremde und
aus der Bevölkerung eine Schaar von Andersdenkenden gebildet, die nicht
wohl beftraft oder vertrieben werden konnten, ohne der Stadt grofsen Schaden
zu verurfachen, und fo gelang es der ftädtifchen Obrigkeit, die Inquifition vor-
läufig fern zu halten. Diefer Erfolg, verbunden mit der Nachficht fo mancher,
deren Amt die Ueberwachung des Religionswefens war, wurde die Urfache,
dafs die neue Lehre von Tag zu Tag fchnellere Fortfehritte machte. Man
zählte an fechzehntaufend Reformirte, welche bereits im J. 1565 in Antwerpen
fefshaft waren.

Da brach 1566 der Bilderfturm los, eine Greuelthat, die in den Jahr-
büchern der Ivunft mit noch glühenderem Schandmal gebrandmarkt werden
mufs, wie in der politifchen oder Religions-Gefchichte. Die Reformirten erhoben
damals ihr Haupt noch kühner und die Regierung fah, dafs es hohe Zeit zur
Ergreifung von fchnellen und ftrengen Mafsregeln geworden war, wenn man
nicht eine gänzliche religiöfe Umwälzung gewärtigen wollte. Diefe Mafsregeln
wurden auch ergriffen. Das Jahr 1567 ift noch unglücklicher als das Jahr des
Bilderfturms. Die Geufen wurden bei Auftruweel gefchlagen, und in der Stadt
felbft ftanden die Calviniften den Lutheranern und Katholiken kampfbereit
gegenüber. Dem Bürgerkrieg wurde zwar durch das Eingreifen Oraniens vor-
gebeugt, aber die Inquifition ward eingeführt, und der Herzog von Alba, der
eiferne, kam, um die Rache des düftern Fanatikers Philipp II. zu vollziehen.
Sofort ward die Citadelle als eine Feffel um die Lenden Antwerpens gefchlagen
und eine eiferne Schreckensherrfchaft organifirt.

Es ift überflüfsig, auseinanderzufetzen, welch unheilvollen Einflufs diefs
Alles auf unfere Wohlfahrt ausgeübt hat. Der Handel will Vertrauen, das
Geld will Sicherheit, und die eine wie die andere Bedingung war in jenen
Wirren verfiegt. Schon in den erften Monaten des-Jahres 1567 waren die her-
vorragendften Kaufleute abgezogen, und als Alba ankam und keine Gnade mehr
zu hoffen war, flüchteten nicht blos die Proteftanten, fondern auch diejenigen,
welche ihre Habe und ihr Gefclräft auf einen ruhigeren Boden bringen wollten.
Auf Alba folgte Requefens, fchwächer von Art aber nicht beffer an Einficht;
und als diefer letztere 1576 ftarb und die Generalftaaten die Verwaltung an
fich zogen, entbrannte der Kampf in Antwerpen und Umgebung zwifchen den
Niederländern und fremden Herren. In dem genannten Jahre wurde Antwerpen
 
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