Unmittelbare Schüler des Rubens. Frans Wouters. Erasmus Quellin.
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Frau engeftalt, mit Kornähren bekrönt und eine Blumenguirlande in der Hand
haltend, ein Bild, das etwas härter in der Linienführung aber eben fo kräftig
im Lichte ift. In Hampton-Court fieht man einen Amorettentanz in einer
Landlchaft; die Figürchen find fehl' rund von Fleifch und fehr lieb in der
Bewegung offenbar nach dem Vorgänge feines erften Lehrers van Avont, die
Landfchaft aber ift dunkel und fchwer. Im Belvedere zu Wien treffen wir zwei
Heilige, St. Jofeph und St. Joachim, kräftige Geftalten mit warmem Lichteffect
und etwas fchweren Schatten; fonft wird noch ein Priapus-Opfer unter den
Kunftfchätzen des Königl. Schlofses zu Berlin (Nr. 984) erwähnt.*
Wie man aus diefer dürftigen Aufzählung erfehen kann, und wie es
de Bie und der Jefuit Papebroek von ihm bezeugen, entlehnte unfer Maler feine
Gegenftände mit Vorliebe aus der griechifchen Mythologie. Wenn er auch
in fofern feinem erften Lehrer van Avont treu blieb, dafs er die Scenen gerne in der
freien Natur vor fich gehen liefs, fo war doch der Einflufs feines zweiten
Meifters überwiegend. Durch die Anordnung feiner Figuren, die in dramatifcher
und kühner Haltung oder in lebendiger Bewegung dargeftellt find, durch die
kräftige und volle Geftalt die er ihnen gibt, durch das warme Licht, mit
welchem er fie iibergiefst und durch die vollen Töne, in welche er fie kleidet,
erfcheint er ein direkter Nachkomme des Rubens.
Beffer bekannt und höher von Ruf als Wouters ift ERASMUS QUELLIN.**
Zu Antwerpen am 19. November 1607 einem aus Lüttich flammenden Vater
von einer Antwerpen’fchen Mutter geboren, empfing er eine fehr forgfältige
Erziehung, fo dafs er den Grad eines Magifter artium (was gegenwärtig
Doktor der Philofophie) nehmen konnte. Seine auswärtige Abkunft machte
ihn jedoch dem Volksdialekt feiner Mutter nicht abwendig, da er wie wir
aus dem Lobgedicht, das de Bie feinem Guldenkabinet vorandruckte erfehen,
fehr gefchickt und geiftreich zu reimen verftand:
Kam ein Mann aus fernem Lande
Und erzählt was ihm gefchehen,
Und dafs an des Weftens Strande
Wunderbienen er gefehen,
Die fo grofs wie Schafe fchienen.
Fragten die und lachten laut:
Ob er von den fremden Bienen
Auch den Bienenkorb gefchaut?***
Und fo fort in gleicher Art, die uns nur beklagen läfst, dafs der Reimer
de Bie in der Dichtkunft keinen Unterricht bei Quellin dem Maler nahm.
1633/34 trat der letztere bei Jan Bapt. Verhaeghe in die Lehre, wurde
aber noch in demfelben Jahre als Meifter bei St. Lucas aufgenommen und
ging dann zur letzten Ausbildung zu Rubens. Italien befuchte er nicht.
1634 heiratete er Katharina de Hemelaer und begab fich am 19. November
* M. Schasler, Berlin’s Kunftfchätze 1859. p. 217.
** Catalogue du musee d'Anvers; Genard Revue d’ Histoire et d' Archeologie II. 310; derfelbe,
Luister der St. Lucasgilde 22; Archiv des Mufeums Plantin-Moretus.
*** Foppe quam uyt verre landen,
E11 vertelden aen de lien,
Dat hy aen de Westerstranden
Wonder dingen had ghesien,
Bien groot als onze Sehapen.
Titer vraeghden, met een lagh,
Oft hy van dees vreemde apen
Oock haer korven niet en sagh?
Max Rooses, Gedachte der Antwerpen’fchen Malerfchule. 2 I
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Frau engeftalt, mit Kornähren bekrönt und eine Blumenguirlande in der Hand
haltend, ein Bild, das etwas härter in der Linienführung aber eben fo kräftig
im Lichte ift. In Hampton-Court fieht man einen Amorettentanz in einer
Landlchaft; die Figürchen find fehl' rund von Fleifch und fehr lieb in der
Bewegung offenbar nach dem Vorgänge feines erften Lehrers van Avont, die
Landfchaft aber ift dunkel und fchwer. Im Belvedere zu Wien treffen wir zwei
Heilige, St. Jofeph und St. Joachim, kräftige Geftalten mit warmem Lichteffect
und etwas fchweren Schatten; fonft wird noch ein Priapus-Opfer unter den
Kunftfchätzen des Königl. Schlofses zu Berlin (Nr. 984) erwähnt.*
Wie man aus diefer dürftigen Aufzählung erfehen kann, und wie es
de Bie und der Jefuit Papebroek von ihm bezeugen, entlehnte unfer Maler feine
Gegenftände mit Vorliebe aus der griechifchen Mythologie. Wenn er auch
in fofern feinem erften Lehrer van Avont treu blieb, dafs er die Scenen gerne in der
freien Natur vor fich gehen liefs, fo war doch der Einflufs feines zweiten
Meifters überwiegend. Durch die Anordnung feiner Figuren, die in dramatifcher
und kühner Haltung oder in lebendiger Bewegung dargeftellt find, durch die
kräftige und volle Geftalt die er ihnen gibt, durch das warme Licht, mit
welchem er fie iibergiefst und durch die vollen Töne, in welche er fie kleidet,
erfcheint er ein direkter Nachkomme des Rubens.
Beffer bekannt und höher von Ruf als Wouters ift ERASMUS QUELLIN.**
Zu Antwerpen am 19. November 1607 einem aus Lüttich flammenden Vater
von einer Antwerpen’fchen Mutter geboren, empfing er eine fehr forgfältige
Erziehung, fo dafs er den Grad eines Magifter artium (was gegenwärtig
Doktor der Philofophie) nehmen konnte. Seine auswärtige Abkunft machte
ihn jedoch dem Volksdialekt feiner Mutter nicht abwendig, da er wie wir
aus dem Lobgedicht, das de Bie feinem Guldenkabinet vorandruckte erfehen,
fehr gefchickt und geiftreich zu reimen verftand:
Kam ein Mann aus fernem Lande
Und erzählt was ihm gefchehen,
Und dafs an des Weftens Strande
Wunderbienen er gefehen,
Die fo grofs wie Schafe fchienen.
Fragten die und lachten laut:
Ob er von den fremden Bienen
Auch den Bienenkorb gefchaut?***
Und fo fort in gleicher Art, die uns nur beklagen läfst, dafs der Reimer
de Bie in der Dichtkunft keinen Unterricht bei Quellin dem Maler nahm.
1633/34 trat der letztere bei Jan Bapt. Verhaeghe in die Lehre, wurde
aber noch in demfelben Jahre als Meifter bei St. Lucas aufgenommen und
ging dann zur letzten Ausbildung zu Rubens. Italien befuchte er nicht.
1634 heiratete er Katharina de Hemelaer und begab fich am 19. November
* M. Schasler, Berlin’s Kunftfchätze 1859. p. 217.
** Catalogue du musee d'Anvers; Genard Revue d’ Histoire et d' Archeologie II. 310; derfelbe,
Luister der St. Lucasgilde 22; Archiv des Mufeums Plantin-Moretus.
*** Foppe quam uyt verre landen,
E11 vertelden aen de lien,
Dat hy aen de Westerstranden
Wonder dingen had ghesien,
Bien groot als onze Sehapen.
Titer vraeghden, met een lagh,
Oft hy van dees vreemde apen
Oock haer korven niet en sagh?
Max Rooses, Gedachte der Antwerpen’fchen Malerfchule. 2 I