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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0506
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Hendrik Leys. Jofef Lies.

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kraftvollen Akkorden vorherrfchen laffen. Jedes Steinchen von Haus und
Strafse, jeder Theil von Gewand und Waffen ift hier in feiner eigenen Färbung
in unabgefchwächter Buntheit und unglaublicher Weichheit hingezaubert. Das
energifchefte Roth und Gelb wird mit den gemäfsigften Farben verbunden,
das hellfte Grün glänzt neben dem dunkelften Purpur, die nächft verwandten
wie die fich fernliegendften Tinten flehen harmonifch nebeneinander. Feffelt
das Bild durch die Compofition unferen Geift, fo ift es durch das Colorit ein
wahres Feft für das Auge.

Leys’ Richtung hatte viele Nachfolger; wir können nur eines von feinen
Schülern, des ausgezeichnetften von Allen, der leider feinem Meifter im Tode
voranging, gedenken. Josef Lies (1821—1865) nahm fich Leys hinfichtlich
der genauen Wiedergabe von allen Eigenthiimlichkeiten der Zeiten und Ereig-
niffe welche er malte, zum Vorbilde. Hatte aber der Meifter vorzugsweife
dem Aeufsern von Menfchen und Dingen feine Aufmerkfamkeit gewidmet, fo
war fein Schüler immer darauf bedacht, auch das Leben der Seele in feinen
Bildern zum Ausdruck zu bringen. Hinfichtlich der Farbe ift Lies ein Nach-
folger des Leys, ohne aber hierin die Höhe feines Meifters zu erreichen:
feine Töne find warm, befitzen aber nicht die farbige Abwechselung und glänzende
Fülle feines Vorgängers. Dagegen feffeln feine Werke durch die Lebendig-
keit des Ausdrucks unmittelbarer, fo dafs wir fie leichter geniefsen als die
Malereien von Leys, die immer einige Zeit erfordern, ehe man fich damit be-
freunden kann.

Lies begann mit der aufgeputzten Phafe des Leys. Herr Jof. de Bom
befafs in feiner Sammlung ein Stück von feiner erften Zeit, einen »buhler-
ifchen Landsknecht« mit dem Schwert auf der Schulter und mit Hühnern im Brod-
fack darftellend, der lüftern vor zwei jungen lieblichen Mädchen flehen bleibt.
Der Unwiderftehliche dreht auf triumphirende Weife feinen Schnurbart und
man zweifelt nicht, dafs das Ergebnifs feiner Jagd hier nicht fchlechter fein
werde, als jenes auf die Hühner. Sind auch die Mädchen über die Begegnung
in Angft , fo werden fie wohl bald zahmer werden, wenigftens denkt fo und
vielleicht nicht mit Unrecht der Soldat. Das Licht fällt in kräftig warmem
Ton auf die Gruppe und auf den Grund, der Himmel ift grünlich blau, das
Ganze hat die Wärme und Zierlichkeit mit dem romantifchen Anftrich, wodurch
auch Leys’ frühere Werke gekennzeichnet werden.

Das Mufeurn zu Antwerpen (Nr. 239) befitzt ein Bild »der Feind ift nahe«
welches als Beifpiel für fein befte Manier dienen kann. Im Vorgrunde fieht
man einen Offizier und einige Soldaten, im Begriff die Bauern auszuheben und
das Dorf zu brandfchatzen. Rechts find Greife und Frauen, die auf die Kunde
von dem Bevorftehenden fliehen, in der Ferne befindet fich ein Dorf, auf dem
Mittelgründe ein Hohlweg, welchen entlang die Bauern über Hals und Kopf
flüchten. Die Malerei ift fehl' weich, ja flaumig, in der Farbe herrfcht ein
warmer röthlicher Ton etwas zu fehr vor. Ungetheilte Bewunderung dagegen
erwecken die Gruppen und der Ausdruck der Geflehter. Der Offizier, der mit
affektirter Gleichgültigkeit der Elafticitätsprobe feines Degens alle Aufmerkfam-
keit zu widmen fcheint, während Alles ringsum in fieberhafter Flucht ift, der
junge Bauer, von fo viel Kaltblütigkeit und Eleganz in Erftaunen gefetzt, die
angftvollen Flüchtlinge, die ihre Waffen in Stand fetzenden Männer: das Alles
ift meifterlich erfunden, ausgeführt und zufammengeftellt, jede Figur ein
Charakter, und das ganze Stück ein wirkliches und fcenenreiches Drama.

Aehnlich hinfichtlich des Gegenftandes aber in der Ausführung prächtiger
ift fein Bild im Brüffeler Mufeurn neuerer Werke, »die Leiden des Krieges.«
Hier führen Soldaten zu Fufs und zu Pferd alte Männer, Frauen und deren
 
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