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Der Drucker der Septemberbibel war ein Sohn des Leipziger Druckers
Melchior Lotter d. Ä., der seit 1518 bereits Schriften Luthers gedruckt hatte.
Den Hauptteil seiner Aufträge hatte zwar Johann (Rhau aus) Grunenberg er-
halten, jedoch war Luthei’ mit der Ausführung nicht zufrieden; so klagt er am
15. August 1521 von der Wartburg aus, daß seine Schrift Von der Beicht
„so nachlässig, so unordentlich gedruckt sei, von der Abscheulichkeit der
Typen und des Papiers ganz zu schweigen. Buchdrucker Hans bleibt doch
ewig ein Hans“. Seine Postille will er Grunenberg nur zum Druck überlassen,
wenn sie „auf Regalpapier und mit Lotters Typen gedruckt würde“. Luthe
versuchte Lotter zu einer Übersiedlung nach Wittenberg zu bewegen und nach
längeren Verhandlungen konnte er in einem Brief an Spalatin mitteilen: „Mel-
chior Lotter kommt mit trefflichen Matrizen versehen, die er von Froben be-
kommen hat, und ist bereit, bei uns eine Druckerei einzurichten.“ Druck und
Verlag lagen jedoch nicht in einer Hand, die Geldgeber waren vielmehr de
mit Luther befreundete Lukas Cranach, der neben seiner Malerwerkstatt und
Apotheke auch Papier- und Buchhandel betrieb, gemeinsam mit dem Goldschmied
Christian Döring, der selbst eine wenn auch unbedeutende Druckerei besaß.
Im Jahre 1524 richtete Cranach sich eine eigene Druckerei ein, deren Drucker
jedoch nicht mehr Lotter war, mit dem sich Luther zu hoher Druckkosten
wegen überworfen hatte, sondern Hans Luft, der von da ab Luthers hauptsäch-
lichster Drucker in Wittenberg wurde.
Abweichend von Luthers sonstiger nachsichtiger Haltung den Nachdruckern
gegenüber — denen er ja zuin Teil die rasche Verbreitung seiner Lehre in
allen deutschen Ländern verdankte — wurden bei dem Druck des „Neuen Testa-
ments“ besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um die Verleger, die durch
die reiche Illustrierung erhöhte Kosten hatten, nicht durch einen vorzeitigen
Nachdruck zu schädigen. Das Manuskript wurde der größeren Beschleunigung
halber in drei Teile zerlegt, die von drei verschiedenen Pressen gleichzeitig ge-
druckt wurden; um zu verhindern, daß selbst nur einzelne Teile vorher nach-
gedruckt werden konnten — hatte Luther doch vor Erscheinen des „Neuen
Testamentes“ bereits verschiedene Briefbücher der Bibel, Psalmen etc. einzeln
verdeutscht herausgegeben —, wurde es entgegen dem Herkommen verboten,
den Setzern und Druckern Aushängebogen auszuhändigen. Zum Druck des
Neuen Testaments wurden weniger als zwei Monate gebraucht; täglich gingen
— wie durch einen Brief Luthers überliefert — 10 000 Blatt durch die Maschinen,
das sind für jede der drei Pressen über 3300 Blätter (oder vielmehr die eine
Seite eines Doppelblattes) oder über 1600 Bogen: eine respektable Leistung, die
einer Auflage von etwa 3000 Exemplaren entspricht. Mitte September 1522
waren sie ausgedruckt.
Trotz dieser großen Auflage und trotz des hohen Preises von IVa Gold-
gulden (Bugenhagens Jahresgehalt als Professor betrug 40 Goldgulden) war die
Ausgabe so schnell vergriffen, daß schon nach einem Monat mit einer zweiten
Auflage begonnen wurde, die im Dezember fertiggestellt war. Um diese beiden
Drucke des Jahrles 1522 voneinander zu unterscheiden, werden sie nach den Mo-
naten ihrer Ausgabe genannt. Ein Kennzeichen des Septembertestaments — zu-
weilen auch Wartburgbibel genannt — ist die dreifache Papstkrone der Babylo-
nischen Hure und auf zwei weiteren Bildern der Offenbarung Johannis — eine
polemische Anspielung auf das Papsttum, die in der zweiten Auflage fort-
gelassen wurde.
Das künftige Schicksal der Apokalypse-Holzschnitte wirft ein bezeich-
nendes Licht auf die Geschäftstüchtigkeit des vielseitigen Cranach. Er verkaufte
sie für 40 Thaler an Hieronymus Emser, der damit seine eigene. Übersetzung,
die bei Stöckel in Dresden als katholische Konkurrenz-Ausgabe gegen Luthers
Übersetzung 1527 erschien, illustrieren ließ.

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