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Luthers Septemberbibel
Richard Muther kennzeichnet die Wichtigkeit der Septemberbibel für die
Buchkunst mit dem Satz: „Die Lutherische Bibelübersetzung macht nicht nur
Epoche in der Geschichte der deutsche/! Literatur, sondern auch in derjenigen
der Illustration.“ Die Bedeutung von Luthers Septemberbibel für die Schöpfung
und Verbreitung der neuhochdeutschen Schriftsprache ist weithin bekannt,
ebenso die Rolle, die sie in der Geschichte der deutschen Literatur spielt: Goethe
z. B. nannte Luthers Bibel das älteste Erzeugnis einer wirklichen deutschen
Literatur und bewundert sie als ein Werk der Übersetzungskunst, das noch dazu
in der erstaunlich kurzen Frist von etwa 8—10 Wochen fertiggestellt wurde.
Entgegen Muthers Formulierung jedoch wird die Bedeutung der Illustra-
tionen der Septemberbibel in vielen Handbüchern als „Kopien nach Dürers
Apokalypse“ kurz abgetan. Abgesehen von sechs neuen Schöpfungen bil-
deten zwar Dürers Bilder zur Offenbarung Johannis die Unterlage der Illu-
strierung der Septemberbibel. Aber allein schon die Tatsache, daß Holbein
bei seinen Bibelbildern nicht auf Dürers Apokalypse zurückgriff, sondern die
Wittenberger Bilderfolge als alleinige Vorlage benutzte, läßt die Bedeutung
dieser Neufassung erkennen. Stilistisch werden die Holzschnitte meist ent-
weder als Schülerarbeiten aus der Werkstatt Cranachs bezeichnet oder es wird als
Künstler der sagenhafte „Hans Cranach“ angesehen, den Flechsig in die Ge-
schichte des Holzschnitts ein führ td, obwohl von ihm nicht eine signierte oder
authentisch bezeugte Illustration existiert. Es ist das Verdienst Hildegard
Zimmermanns, dieser nebulösen Gestalt ein Ende bereitet zu haben (in: Bei-
träge zur Bibelillustration des 16. Jhdts. Heitz 1924). Das von Flechsig und
Dodgson zusammengestellte „Werk“ teilt sie unter mehrere Monogrammisten der
Cranach-Werkstatt auf, teils spricht sie sie Lukas Cranach d. Ä. selbst zu.
Zu den eigenhändigen Arbeiten Cranachs zählen 9 ganzseitige Apokalypse-
bilder der Septemberbibel, und zwar die Holzschnitte 1, 2, 4, 10—12 und 16—18.
Die beiden letzten Blätter (20 und 21), von denen das erstere H.B. signiert
ist, weist Röttinger dem 1527 in Fulda gestorbenen Vater H. Brosamers zu,
während Zimmermann den Monogrammisten nur mit seinen Initialen benennt.
Alle übrigen Blätter der Offenbarung stammen von dem Monogrammisten MB,
dem Illustrator der schwedischen Bibel, die der Lübecker Drucker Jürg Richolff
1541 in Uppsala für Gustav Vasa druckte. Diese Identifizierung gelang Hilde-
gard Zimmermann erst 1927 (in Nordisk Tidskrift für Bok- och Biblioteks-
väsen XIV), während sie ihn in den „Beiträgen“ noch mit dem Notnamen
„Meister der Zackenblätter“ benennt. Er ist eine sehr charakteristische, mit
und neben Lukas Cranach tätige Persönlichkeit, von der Zimmermann ein um-
fangreiches Werk zusammenstellt.
Außer dem herrlichen in Holz geschnittenen Titel, einem der schönsten
kalligraphischen Holzschnitt-Titel der Reformationszeit, enthält die September-
bibel 10 große figürliche Initialen, von denen 4 die Bilder der Evangelisten,«
enthalten. Diese und die Buchstaben D mit der Ausgießung des HL Geistes
Und P mit dem Apostel Paulus stammen von einem „Meister der Evangelisten-
initialen“ genannten Mitarbeiter, während die vier übrigen Bilder-Initialen von
dem Monogrammisten HB herrühren.

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