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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0019
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wurde hier 1526 der Stuttgarter Meister Jörg Ratgeb (Schürte), von dessen Hand die Gemälde
im Kreuzgang des Frankfurter Karmeliterklosters wie die Herrenberger Altartafeln zu Stutt-
gart herrühren, gefangengehalten.1) In Pforzheim arbeitete um jene Zeit der Maler und Drucker
Joh. Greyfenberger, der sich durch seine reformatorischen Drucke bekannt machte;") hier
am Ort der fürstlichen Münzstätte lebten um 1530 die Goldschmiede Wolf von Gmünd,
Heinrich von Pforzheim, Hans und Paul Wyler, von denen der letztere sich später anscheinend
zu Straßburg niederließ.3) Zu den geschickten bereits ansässigen Armbrustern, Hauben- und
Harnischschmieden berief Markgraf Ernst 1539 und 1548 die Büchsenmeister und Büchsen-
gießer Wendel Ziegler aus Neuenburg und Klemens Kraus aus Preußen.4)

Für den jungen Pforzheimer Matthias Kessel schnitt der tüchtige Straßburger Künstler
Christoph Weiditz, wahrscheinlich auf einer Wanderfahrt von Straßburg nach Ulm, um 1525
die lebendige, in Basel aufbewahrte Porträtmedaille.'') Ein ebenso berühmter Straßburger
Meister, Friedrich Hagenauer, schuf daselbst die signierte Medaille des Pforzheimers Paul Kircher,
des badischen Rats, Landschreibers und langjährigen verdienten Hofbeamten der Markgrafen
Ernst und Karl II.6) Vor allem aber besitzen wir von Hagenauers Hand die Porträtmedaillen des
Markgrafen Ernst selbst wie die seines Bruders Bernhard, beide von 1533, und aus dem gleichen
Jahre die ausdrucksvolle Schaumünze, welche die beiden Brüder, die »capita jugata«, als Er-
innerungsstück an die gemeinschaftliche Regierung im Bilde bringt. »Nit schimpf mit Ernst«
lautet die Devise auf dem silbernen Schaustück (Abbild. 2) des jüngeren Bruders.7)

Auf seiner produktiven Wanderschaft in den Jahren 1533/34 durch Schwaben und Baden
am markgräflichen Hof einkehrend, schnitt Hagenauer das sorgfältig gearbeitete Porträt des
Hofgerichtssekretärs Bernhard Niebelsbach von Baden, namentlich aber in zwei verschiedenen
Wiedergaben das selbstherrliche Konterfei des badischen Hofnarren Hansel von Singen (Abbild. 1),
mit dem der verstorbene Markgraf Philipp schon seine recht derben Spaße gehabt hatte.8)
»Morotatos et fatuorum rex festivissimus,« stellt sich der gewichtige Spaßmacher vor, der
in seinem mikrocephalen aufgeblasenen Selbstbewußtsein es sich verbat, mit fremdem Narren-
volk an den gleichen Tisch gesetzt zu werden, und wenn man ihm »schon eitel Weißbrodt,
Honig, Milch und Rebhüner vorsetzte«.!1) Auf der Rückseite seines Erznarrenbildes von 1533
ließ er den tiefsinnig-widersinnigen Spruch anbringen: »In nihil sapiendo vita jucundissima.«
In seinem Testament vermachte Philipp I. 1533 den »Henslin von Singen« seinem Bruder
Ernst und legte ihm dessen getreue Pursorge ans Herz.10)

') Württemberg. Vierteljahrshefte 1886 p. 263 u. 1896 p. 306.

2) Fr. v. Weech, Bad. Geschichte p. 120.

3) Testament des Kanonikus Dietrich Wyler aus Pforzheim von 1530 im dortigen Stadtarchiv, in dem er seine
Pokale und Becher aus Edelmetall an seine Verwandten vergabt. Mitgeteilt von R. Genvig-Pforzheim.

4) G.L.A., Bad. General. 5711. Kraus bei H. Ehrenberg, Die Kunst am Hof d. Herz. v. Preußen, 1899, nicht
aufgezählt. — Der Zinngießer Hans Schlep aus Pforzheim wurde 1527 zu Basel in die Zunft aufgenommen. Brun,
Schweiz. Künstlerlex. Suppl. 1914 p. 389.

5) G. Habich im Jahrb. d. pr. Kunstsamml. XXXIV (1913) p. 3 Abb. Taf. II, 8, u. Derselbe, Die deutschen Medail-
leure des XVI. Jahrh , 1916, p. 31.

6) Stuttgart. H. u. St.Arch., Korresp. mit Markgr. Karl II. von Baden 1553 —1568 fol. 73. Karl an Christoph von
Württemb., 19. Febr. 1562. Kircherlebte noch 1562 im Ruhestand. Die im Münchener Münzkabinett aufbewahrte
Medaille von 1527. — Habich, Die deutschen Medailleure p. 39, u. Derselbe, Jahrb. d. pr. Kunstsamml. XXVIII (1907)
p. 181 ff. — Für die freundliche Überlassung von Gipsabgüssen sei Herrn Direktor Dr. G Habich-München besonderer
Dank ausgesprochen.

7) O. Bally u. W. Brambach, Beschr. v. Münzen u. Medaillen d. Fürstenhauses u. Landes Baden I (1896)
p. 92 u. 99. Taf. VI, 1115; VII, 1155; Habich im Jahrb. d. pr. Kunstsamml. XXVIII (1907) p. 246 u. Taf. L, 5;
Derselbe, Die deutschen Medailleure p. 42.

8) Zimmerische Chronik I, 493.

9) K. Fr. Flügel, Geschichte der Hofnarren, 1789, p. 209 (hier als H. v. »Gingen« verdruckt); Habich, 1. c.
p. 189, 247.

10) München. Allg. Reichsarch. Baden A. Nr. 1 fol. 111: »Unserm Heben bruder marggraf Ernsten ordnen und
setzen wir hiemit Henslin von Singen sampt Lausterer seinem diener, mit brüderlicher pitt, S. L. wolle Henslins
durch jetz gemelten seinen diener guete achtung u. pflegen laßen.«

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