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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0046
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Wirtschaft »Karlsburg«, der noch Reste dieses Trakts rechter Hand enthält (spätere Münze),
darunter einen Treppenturm mit fliegender Spindel.

Zwischen diesem Garten und dem inneren Toreingang von der Stadtseite her, zu dem
man durch ein Außentor und einen kleineren Vorhof gelangte, dehnte sich ein stattlicher,
ebenfalls dreigeschossiger Bau aus, der seine Hoffront nach Süden kehrte (Taf. II Blick von Süden
nach Norden, etwa vom Tor des Prinzessinnenbaues her) und wegen seiner Lage vor allem
die fürstlichen Wohn- und Schlafgemächer wie den Speisesaal enthielt. Da, wo der Fürsten-
bau mit diesem Nordflügel zusammentraf, haben wir Küche und Waschräume zu suchen
mit dem Wasserhaus davor, kenntlich durch ein großes Kammrad. Hier sind anscheinend
Reste des Ernestinischen Schlosses mitverbaut. Dahinter ragt ein hoher Bau mit einem
Renaissancegiebel hervor, der genau wieder den Baufluchten der heutigen »Karlsburg«,
bezw. den noch sichtbaren Resten der alten »Münze« und den nach Süden gekehrten Giebel-
mauern eines an das Blumentor anlehnenden äußeren Schloßgebäudes entspricht, dessen
Zuofan<jsturm vom »Tunoferncjärtchen« aus heute linkerhand im Wirtschafts«farten der »Karls-
bürg« in Überresten zu sehen ist. Dieser steht in der Diagonale des Gärtchens, dem Münz-
treppenturm gegenüber (vgl. den Plan von 1687 und 1688). Die große Anlage, die sich an
der Stirnseite des Schlosses nach der Stadt zu zwischen Blumentor und äußerem Schloßtor
ausdehnte, wird als fürstliche Kanzlei gedient haben, die 1568 an der »Burggaße«, dem
später abgebrochenen »Bären« gegenüber, erwähnt wird.1)

Rechterhand hatte man beim Betreten der Karlsburg ein lang sich hinziehendes,
dreigeschossiges, durch zahlreiche Zwerchgiebel belebtes einfacheres Gebäude, wohl den auch
von Rossi später wieder hier errichteten Kavalierbau vor sich mit der Ritterstube am süd-
lichen Ouertrakt (vgl. die örtliche Bezeichnung der »Ritterstube« bei Anlegung des Schloß-
brunnens im Süden des Schlosses oben p. 27 Anm. 1). Die Parallelanlage hinter dem Kavalier-
bau ist schließlich der Dienerbau. Ein Treppenturm am inneren Schloßeingang verband im
Westen den Kavalierbau mit dem Obergeschoß des Torbaues und des an ihn anschließenden
nördlichen Hofgebäudes, das später die Hofbibliothek und Kunstkammer enthielt und in das
wir vielleicht auch die oft erwähnte Schloßkapelle verlegen können. Eine Brücke auf einem
Rundbogen unmittelbar vor dem Südtor, dem heutigen Prinzessinnenbau (Abbild. 7 u. 10), setzte
den westlichen Kavalierbau mit dem östlichen Fürstenbau in Verbindung. Die Ansatzspuren
derselben sind jetzt noch bei der vorspringenden Südostecke des Rossischen Flügels, rechts
vor dem heutigen Tordurchgang und dem Treppentürmchen, an Ort und Stelle zu sehen;
die Tür darunter ist die der Arhardtschen Zeichnung unter dem Bogenanfänger.

Der Schloßhof bildete demnach ein unregelmäßiges Viereck, eingeschlossen durch zwei
fast rechtwinklig aufeinander stoßende Gebäude und den Hauptgebäudezug im Osten, der
mit seiner Knickung sich an den Schloßgraben lehnte und somit wohl teilweise über Funda-
menten des älteren Schlosses steht. Das Ganze ist eine weiträumige, bequeme Anlage, in
der man den praktischen, ökonomischen Sinn des Bauherrn erkennt, eine Mischung von Spät-
gotik mit Renaissance, die sich einerseits in den Treppentürmen, steigenden Fenstern und
Erkern, andrerseits in den Dachanlagen, Giebelabschlüssen, fratzengeschmückten Wasser-
speiern, den rund- und flachbogigen Türen bekundet. Hinfällig wird jetzt allerdings die
schöne Sage, die erzählt, daß man einst vierspännig in den Speisesaal des zweiten Stockes
fahren konnte.~)

Ein Kompromiß von Gotik und Renaissance ist das Haupttor des Schlosses mit seinen
Renaissancesäulen, welche die spitzbogigen Arkaden und ein gotisches Rippengewölbe tragen.
Die zugehörigen schönen Kapitale mit ihren Putten, die heute noch im Schloßgarten zu Durlach

') G.L.A., Bad.Durl. Urk. Spec. conv. 35 zum 12. Febr. 1568.
K. G. Fecht, Gesch. der Stadt Durlach p. 657.

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