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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0072
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Innenbau zum «roßten Teil vollendet. Zwischenhinein kam auch Meister Schoch auf Ein-
ladung Ernst Friedrichs für ein paar Tage von Straßburg nach Durlach herüber, um nach
dem Fortgang des Gottesauer Bauwesens zu sehen.') Da starb Paul Murer in der ersten
Hälfte des Jahres 1594, anscheinend in guten Verhältnissen, da er den Straßburger Bedürftigen
und den Schülern von St. Marx in seinem Testament über 1000 Gulden hinterließ.-) Dieser
frühe Tod des Bauleiters war der erste von den Schicksalsschlägen, welche die Gottesau in
Zukunft treffen sollten.

Für die umfänglichen Bildhauerarbeiten hatte Ernst Friedrich eine hervorragende Kraft
gewonnen in der Person des Stuttgarter Meisters Matthias Kraus, der seit 1587 an der
Herstellung der dortigen berühmten Lusthausfiguren beteiligt war. Der Bildhauer stammte aus
Schweidnitz in Schlesien, wo von ihm bis jetzt weder Werke noch eine Werkstatt, aus der
er herkam, mit Sicherheit nachgewiesen werden können. Wahrscheinlich ist er ein Sohn des
Schweidnitzer Steinmetzen Matthias Kraus.;!) Kraus besaß zu Stuttgart ein eigenes Haus und
das Bürgerrecht, vermutlich durch Heirat mit einer dortigen Meisterstochter. Auf ihn wie auf
den aus Calcar stammenden Jakob Roment4) entfällt wohl der Löwenanteil der fürstlichen
Halbfiguren, die einst die Hochwand des umlaufenden Portikus am ehemaligen Neuen Lust-
haus schmückten.

Bekanntlich wurde dieser stolze von Georg Beer in den Jahren 1584—1593 geschaffene
Bau Herzog Ludwigs von Württemberg seit 1750 in ein Theater verwandelt und 1846 ab-
gerissen, um dem Hoftheater Platz zu machen.3) Von den einstigen 65 Büsten des Portikus,6)
darstellend die Aszendenten des Herzogs Ludwig samt seinen beiden Frauen, sind 60 auf
Schloß Lichtenstein gekommen und erhalten geblieben. Es sind technisch teilweise virtuos
durchgeführte Arbeiten, charakteristisch in ihrer Art durch die meisterhafte Beherrschune
des Kostümlichen, die Feinheit der Frauentypen und die Energie des Ausdrucks bei den
männlichen Gestalten, Züge, welche die in den 80er und 90er Jahren teilweise stark durch-
geführte Restauration nicht verwischen konnte.')

Da der sonst tüchtige einheimische, damals schon ziemlich bejahrte Bildhauer Sem Schioer
»wenn überhaupt, nur an ganz wenigen Lusthausbüsten beteiligt gewesen«,8) Stuttgarter Meister
aber wie Christ. Jelin, Erhard Barg und Siegmund Doctor gar nicht in Betracht kommen und Jakob
Roment immer an zweiter Stelle hinter Matth. Kraus genannt wird,1') so kommt bei der
Betrachtung der 1587 begonnenen Halbfiguren der schlesische Meister mit seinen Gesellen
vornehmlich in Betracht,10) den wir dann auch mit weiteren Arbeiten an dem »hohen Haus«

') Straßburg. Stadtarch., Prot. d. XXI, 271 zum 18. Mai 1590. Die Bitte des Markgrafen an den Rat, ihm Schoch
auf ein paar Tage nach Durlach zu beurlauben, wurde erfüllt. Kbenso Urlaubsreisen des Jahres 1591.

2) Der Tod erfolgte zwischen Dezember 1593 u. Juli 1594. Nach einer Mitteilung des Markgrafen hatte Murer
800 fl. den Hausarmen u. 250 fl. den armen St. Marxschülern vermacht. L. c. zum 22. Juli 1594 u. Gottesauer Bauakten.

3) E. v. Czihak, Ein schlesischer Bildhauer der Renaissance, in »Schlesiens Vorzeit in Bild u. Schrift«, Zeitschr.
d. Vereins f. d. Museum schles. Altertümer V (1894) p. 72 ff. — A. Klemm, Über die Nachfolger des fürstl. Bau-
meisters Tretsch, in den Württemb. Vierteljahrsheften XII (1889) p. 103 f. — Kunstdenkmäler der Prov. Schlesien
(H. Lutsch) V (1903) p. 625.

4) Th. Demmler, Die Grabdenkmäler d. württemb. Fürstenhauses p. 195 Anm. 1. Schon 1583 zu Stuttgart
nachweisbar. — Jak. Roment war 1604 bei der Vergebung der Figuren am Friedrichsbau zu Heidelberg in Aussicht
genommen. Mitt. z. Gesch. d. Heidelb. Schlosses I, n f.; II, 171.

°) K. Walcher, Die schönsten Porträtbüsten des Stuttg. Lusthauses, 1887 —1891, Heft 1 — 5. Dank der Zeich-
nungen des verdienten Architekten C. Beisbarth können wir uns eine gute Vorstellung von dem untergegangenen Bau
machen.

6) Vgl. die Beisbarthsche perspektivische Zeichnung mit der ehem. Aufstellung der Halbfiguren in der Wandel-
halle bei Walcher Heft 3 (1889) p. 10.

') Demmler, Die Grabdenkmäler p. 228 Anm. 2 u. 240.

8) Demmler, 1. c. p. 195, 196, 232 Anm. 1 u. bes. über Sem Schioer ib. p. 17311". Außer Lusthausportalen
(von 1584 bis 1587) hatte Schioer acht Bilder außerhalb des Lusthauses, vermutlich an den Gartentoren, mit Roment
zusammen 1587 auszuführen.

9) Kraus hatte »eine gewisse Superiorität«. K. Walcher, 1. c. Heft 5 p. 7 u. 9.
10) A. Klemm, 1. c. 103.

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