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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0075
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der Markgräfin-Witwe Anna an den Hof des Schwiegersohnes hinübergeschickt wurde.*) Meister
Lindenmann meißelte 1589 zu Pforzheim aus Ölbronner Stein eine Lukrezia für das im Bau
begriffene Gottesauer Schloß, die aber nicht die Gnade des Markgrafen fand. Ohne den
Grund seiner Verwerfung zu nennen, verehrte Ernst Friedrich die Statue Christoph Rieß von
Sulzbach, der sie vor seinem Hauseingang zu Durlach aufstellte.2)

Von den umfangreichen Bildhauerwerken des Stuttgarter Künstlers Kraus ist alles im
Franzosenbrand zugrunde gegangen. Kein Wappen, kein Portal, keine Prachttüre und keine
der Standfiguren oben auf der Attika des Schlosses ist mehr vorhanden. In den 90er Jahren
des XVIII. Jahrhunderts war noch ein mit einer Lorbeerkrone geschmückter, ausdrucksvoller
Kopf beim Pflügen neben dem Schloß zum Vorschein gekommen, wohl der Überrest von
einer Galeriestatue. Auch er ist seither unauffindbar verschwunden.3)

Aber ein schönes Werk von des Meisters Hand hat sich nun doch unzweifelhaft erhalten,
auf Grund dessen es auch gelingen mag, seinen Anteil an den 65 Lusthausbüsten, von
denen nur ein Bruchteil durch Walcher veröffentlicht ist, auszuscheiden. Es ist das reizende
Grabmonument, das sich der seit 1584 in seinem von einem Treppenturm überragten Wasser-
schloß zu Niefern behaglich hausende Kanzler Achtsynit während seiner letzten Lebens-
jahre laut der darüber angebrachten Inschrifttafel aushauen ließ. Das Epitaph (Abbild. 19),
dessen untere Kartuschentafeln unausgefüllt geblieben sind, stellt den hohen Beamten mit
seinen beiden Frauen dar, der 1579 verstorbenen Elisabeth von Jestetten — sie hat noch ihren
besonderen Grabstein rechts von dem gemeinsamen Epitaph — und einer geborenen Gößlin
(nach dem Wappen) aus der angesehenen Pforzheimer Familie dieses Namens.4)

Die im Ausdruck porträtgetreuen, im Kostüm meisterlich wiedergegebenen Halbfiguren,
eingerahmt von einer sicher aufgebauten Architektur, zu der Paul Murer die Visierung ent-
worfen haben dürfte, gleichen in Technik, Haltung und Formgebung so sehr einer Anzahl
der 1587 begonnenen und deshalb vorbildlichen Büsten des Stuttgarter Lusthauses, °) daß wir
hier die gleiche Hand, die des von 1590 bis 1594 am markgräflichen Hof tätigen Bildhauers
Kraus erblicken müssen. Der kunstverständige Kanzler ließ sich die Gelegenheit nicht
entgehen, den besten Künstler in der Nähe für sein Grabmonument heranzuziehen, das
er sich mit sichtlicher Liebe samt der großen Inschrifttafel, auf der sein Todesdatum noch
fehlt, vor seinem Tod setzen ließ. Wie dort bei den kartuschenumrahmten Inschrifttafeln
unter den Porträtbüsten, so sehen wir auch hier das gleiche, teilweise ganz ä jour gearbeitete
Rollwerk und am Sockel ebenso die Aussparung für die ehemalige ovale Inschrifttafel, welche
die Restauration durch einen gipsernen Todesgenius ersetzt hat. Der obere Aufbau mit
Christus als Schmerzensmann, in der Abbildung weggelassen, gehört nicht zum eigentlichen
Monument.

Das Konterfett des Kanzlers, dem am Gürtel die Insignien seines Berufes samt dem
damals sehr beliebten Riechfläschchen hängen, des hohen Herrn, der einst mit den Pforz-
heimer Nonnen wenig »melancholisch« umsprang, des Freundes der Gelehrten und Baumeister,

') Stuttgart. H. u. St.Arch., Kab.Akten. Korresp. mit Baden unter Herzog Ludwig 1579—1592. Anna von Baden
an Herzog Ludwig, Karlsburg, 5. Juli 1579: »Wir haben E.L. schreiben Tobiae Lindemanns des bildtschnitzers zu
Pfortzheim halber empfangen und alsbaldt an Schultheißen doselbsten bevelch gethon, E. L. denselben zu zuschicken.«

_G.L.A., Bad. General.Urk. conv. 142 Gültverschreibung des »Tobias Lindenmann des bildtschnitzler zu Pfortzheim«

vom 16. Okt. 1590. — Der Goldschmied Jakob Hartmann ist Mitbewohner seines Hauses im Höllgäßchen. Neben
ihm wohnt der Seidensticker Hieron. Riedt. Im gleichen Konvolut zu 1580 der Pforzheimer Baumeister Hans
Ruof genannt.

2) Gottesauer Bausachen zum Jahre 1589. — Ein Karl Riese von Sulzbach 1616 im Gefolge Georg Friedrichs
bei den Tauffeierlichkeiten zu Stuttgart erwähnt. Phil. Charitinus, Warhaffte Relation, 1616, p. 15.

3) E. J. Leichtlin, Gottsauer Kronik 1810 p. 127.

4) Vielleicht eine Tochter des Bürgermeisters von Pforzheim, Peter Gößlin. In der Stiftskirche ein Grabstein
des 1612 gestorbenen Nik. Gößlin. Von da ab kommt der Name in Pforzheim nicht mehr vor. Mitteil, von
R. Gerwig, Pforzheim.

5) Vgl. Walcher, 1. c, bes. Taf. IL VII, XVI, XVIII, XIX.

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