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Volkmann, Ludwig <Dr. phil.> [Bearb.]; Russ, Jacob [Bearb.]
Der Überlinger Rathaussaal des Jacob Russ und die Darstellung der deutschen Reichsstände — Berlin, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.30778#0011
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Einleitung

sind in den letzren Jahren zwei bedeursame Publikationen über oberrheinische Plaftik der zweiten
Halfre des 15. JahrhundertS erschienen: Nieolans Gerhaerr von Otto Wertheimer und Niclas
Hagnower von Wilhelm Vöge. Jn der einen wird eine greifbare, ganz hervorragende Künftler-
persönlichkeit monographisch erschöpfend behandelt und nach Herkunft und Auöwirkungen untersucht;
in der anderen ift der Versuch gemacht, eine solche Persönlichkeit auf ftilkritischem Wege zu konftruieren
und ihr ein umfangreicheö Werk zuzuweisen. — Jn beiden nun hat der Künftler, von dem die nach-
folgenden Betrachtungen auszngehen haben, Erwähnung gefunden; einmal als ein, wenn auch nicht
gleichwertiger, Nachfolger und Fortsetzer, daS andere Mal alö angeblich rivalisierender Zeitgenosse:
Iacob Rnß von RavenSburg, der Schöpfer deö prachtvollen Hochaltarö im Dom von Chur
und der eigenartigen, noch zu wenig beachteten Holzschnitzereien im Rathauösaal zu Überlingen am
Bodensee^).

Obwohl wir ihn nicht unter die eigentlich führenden, bahnbrechenden Meifter einreihen möchten, gehört
doch namentlich sein Churer Altar zu den köstlichften Schöpfungen der schwäbischen Spätgotik und
bereitet unmittelbar daö großartige Werk von Blaubeuren vor; andrerseitö wieder ift er ein typischer
Vertreter jenes mehr handwerklichen Unternehmertumö auf dem Gebiete bildender Kunft, daö
in dieser Periode eine große Rolle spielt, und daS gerade alö Bewahrer und Verbreiter guter Tradition
so außerordentlich wertvoll ift. Er verdient also schon um deöwillen gewiß eine nähere Betrachtung,
zumal da wir über sein Leben nnd sein Werk immerhin einige gesicherte Nachrichten besitzen, die vor-
wiegend in älterer, lokaler Literatur niedergelegt und erft neuerdingö bedeutsam vermehrt, aber noch
nicht zusammenfassend behandelt worden sind. Dann aber führt unö seine Schöpfung in Überlingen
rein ftofflich betrachtet in sehr interessante nnd weitverzweigte ikonographische Zusammenhänge, denen
nachzugehen sich um so mehr verlohnt, alö dieseö umfangreiche Schnitzwerk durch seinen durchauö welt-
lichen Gegenftand an sich schon eine ganz besondere Stellung innerhalb der zahlreichen vorwiegend
kirchlichen Aufgaben der Plaftik jener Zeit — aü der Flügelaltäre, Chorschranken, Chorftühle, Lettner,
Portal- und Pfeilerskulpturen usw. — einnimmt und sich dadurch auö der Menge der gleichzeitigen
Produktion in gewissem Sinne hervorhebt. Die vorliegende Arbeit zerfällt somit von selbft in zwei
selbständige Abschnitte, deren erfter den Stoff unter dem kunft- und künftlergeschichtlichen Gesichtö-
punkt behandelt, während im zweiten der ikonographische und kulturhiftorische maßgebend ift, wie
dieö auch Philipp M. Halm in seinem Eraömuö Grasser (Augöburg 1928, B. Filser) auö guten
Gründen gehandhabt hat. — Ich selbft habe daö Thema der Ikonographie der deutschen Reichöftände

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