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Volkmann, Ludwig <Dr. phil.> [Bearb.]; Russ, Jacob [Bearb.]
Der Überlinger Rathaussaal des Jacob Russ und die Darstellung der deutschen Reichsstände — Berlin, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.30778#0037
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II. Teil: Zum Jnhalt

Die bildlichen Darftellungen der Deutschen Reichsstände

^^ö wurde bereitö darauf hingewiesen, welch ganz besondere Stellung daö Überlinger Schnitzwerk deö
Iaeob Ruß durch den überwiegend weltlichen Charakter seineö Gegenftandeö innerhalb der mittelalter-
lichen Plaftik einnimmt. — Jn Malerei und graphischer Kunft waren solche Stoffe ja schon immer
in reicherem Maße eingedrungen, in den Miniaturen der Dichtungen und Romane, den Kalendern und
Chroniken, den Wandgemalden der Burgen und Stadthäuser, in Kupferftichen und Holzschnitten, nicht
zu vergessen die Spielkarten- Die Plaftik dagegen blieb noch lange faft ganz aus daö kirchliche Gebiet
beschränkt, in welcheö sich freilich, wie wir oben sahen, profane Elemente genrehaster und groteöker Art
einzuschleichen wußten, halb versteckt und meift in ornamentaler Verknnpfung. Jn der Plaftik bilden
die Grabmäler eine Brücke von der Kirche zur Welt, doch sind dieö eben nur Einzelfiguren nnd sie
nnterliegen auch ihrerseitö noch einer gewiffen hieratischen Bindung. Auch die Rolandsäulen sind hier
zu nennen, sowie die Stistergeftalten, unter denen die erlauchte Naumburger Versammlung an Oluan-
tität und Qnalität einzig dafteht. Jm 14. Jahrhundert hat die auö Schwaben stammende Parler-
Schule in Prag, der auch wir noch begegnen werden, mancherlei aus diesem Gebiete geschaffen, so die
Büsten im Triforium deö Domchoreö und die Figuren am Altstädter Brückenturm, und auö der gleichen
Zeit etwa finden fich noch einzelne verwandte Erscheinungen wie die Herzogöftatuen am Wiener Stephanö-
dom nnd die sechö Ritter am Chor der Marienkirche zu Oönabrück. Auö dem späten 15. Iahrhundert wurden
Eraömnö Grasser'ö originelle Moriökatänzer von 1480 schon oben erwähnt; zu erinnern wäre etwa
noch an die Geftalten von sächfischen Fürften und Fürftinnen am Rathauö zu Braunschweig um 1450
oder die Ritterfiguren vom Ulmer Fischkaften (jetzt Museum), den Jörg Syrlin d. Ä. 1482 fertigte.
— Von grundsätzlicher Bedeutung aber für die seit der zweiten Hälste deö 14. Jahrhundertö fich voll-
ziehende Wendung der deutschen Plaftik zu weltlichen Motiven ift — wie schon Dehio und nach ihm
Pinder mit Recht hervorgehoben haben — vor allem die Darftellung der Kursürften gewesen, durch die
man namentlich in den Reichöftädten gewiffermaßen den Reichögedanken verbildlichen wollte, eine
Jdee, von der auch wir für die solgenden Auöführungen anözugehen haben werden^).

Eö wäre überauö verlockend, hier diese sämtlichen zum Teil sehr bedeutsamen Zyklen eingehend zu be-
handeln und zu betrachten, aber der begrenzte Raum zwingt dazu, allgemein Bekannteö und vielfach
Abgebildeteö nur kurz zu erwähnen und nur weniger Geläufigeö im Bilde zu bringen, wobei auch
Miniaturen und graphische Darftellnngen zum Vergleich heranzuziehen find.

Die erfte plaftische Behandlung deö Themaö ift ein Marmorrelief im Dom zu Monza, vermutlich um
1240—60 von Matteo da Campione gefertigt, daö den thronenden Kaiser mit den ftehenden sechö

^ Vvlkmann, Der Überlinger Rathauesaal

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