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Volkmann, Ludwig <Dr. phil.> [Bearb.]; Russ, Jacob [Bearb.]
Der Überlinger Rathaussaal des Jacob Russ und die Darstellung der deutschen Reichsstände — Berlin, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.30778#0013
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I. Teil: Zur Form

Die Person und das Werk des Iacvb Ruß

der Persönlichkeit und den Lebenöumftänden deö Jacob Ruß hat unö zuerft, seit den 70er und
80er Iahren deö 19. Iahrhundertö, die eifrige Lokalsorschung am Bodensee und in der Schweiz näher
bekannt gemacht, und auf Grund derselben hat er in der Literatur über die schwäbische Plaftik der
Spätgotik, manchmal etwaö schematisch, seinen beftimmten Platz gefundenH. Ganz neue und wichtige
archivalische Aufschlüsse hat kürzlich Hanö Rott in seinen grundlegenden „Quellen und Forschungen
zur südweftdeutschen und schweizerischen Kunftgeschichte im 15. und 16. Iahrhundert, Bodenseegebiet"
(Stuttgart 1933) gegeben.

Eö mag hier vorauögeschickt sein, daß die Auösprache und demgemäß die Schreibart deö Namenö
schwankend ist. „Ruß" (mit langem u!) wird alemannisch „Ru'e'ß" gesprochen und geschrieben, waö
aber ja nicht etwa alö Umlaut ü zu deuten ift; z. B. wird der auö Feldkirch ftammende Maler Wolf
Huber auch Hueber geschrieben. In Graubünden wiederum, dem langjährigen Tätigkeitögebiet deö
Meifterö, spricht und schreibt man „Rnoß", wie man dort auch „Bluome" u. dgl. sagt, und in Chur
gibt eö Familien Ruoß noch heute. Durch falsche Lesung von Urkunden ift der Name in der Literatur
auch irrig zu Rufer, Rüsch oder Rösch geworden, waö eö jeweilig zu beachten gilt, doch kommt die
Umformung in „Rüfch" auch tatsächlich vor. Einmal sindet sich sein Name in Chur sogar romanisiert
alö „Keminada", waö allerdingö sprachlich nicht ganz einwandfrei erscheint!

Die erften gesicherten Werke des Künstlerö, von denen jede Betrachtung seiner Art auözugehen hat,
befinden fich im Dom von Chur, und im bischöflichen Archiv daselbft liegen auch die entscheidenden
Aktenftücke über seinen Namen und seine Herkunft, vor allem daö Rechnungöbuch deö Bischofö Ortlieb
von Brandiö, Herrn von Vaduz, mit Aufzeichnungen auö den Jahren 1480—91, worin eine Beftellung
bei Ruß und eine Reihe von Zahlungen an ihn vermerkt ift (fiehe Dokumenten-Anhang). Nachdem er
nämlich in den Churer Steuerbüchern fchon in den Jahren 1481—83 alö fteuerfrei nur mit der Be-
zeichnung „Maifter Jacob" genannt ift, heißt eö in den Rechnungöbüchern zwei Jahre danach:

„Item maifter Iacob von Ravenöpnrg sol mir uff sant Iacobötag ein Epitaffium hawen;
davon sol ich jm geben XI^ Rh. guldin. snno 1485 nctum e8t." — In einer Notiz über die emp-
fangenen Zahlungen ift der Künftler dann mit vollem Namen und Heimatöort genannt, am 23. Dezember
1485:

„Item ich hab mit maifter Iacob Ruß von Ravenöpurg einen überschlag gethon an dem waö er
an finer arbeit empfangen hat", usw. Auf Grund dieser Bezeichnung „von Ravenöburg" ift man nun
in der alten Reichöftadt, die der Sitz einer blühenden Bildhauerschule war, den Spuren deö Meifter

2 Volkmann, Der Überlinger Rathaussaal

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