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Volkmann, Ludwig <Dr. phil.> [Bearb.]; Russ, Jacob [Bearb.]
Der Überlinger Rathaussaal des Jacob Russ und die Darstellung der deutschen Reichsstände — Berlin, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.30778#0049
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Vielleicht wollte man nur irgendeine Kategorie schaffen, um sie überhaupt in daö Vierersyftem der
„Prominenten" mit einreihen zu können; aber der „Kölsche Bur" spielt bekanntlich noch heute seine
Rolle, nicht nur im Faftnachtözuge, sondern vor allem in dem guten Spruch, der auch an dem 1915
aufgeftellten Opfermal angebracht wurde:

Halt faß am Rich, du kölschen Boor,

Mag et falle söß ov soor!

Im Bilde werden wir ihm später noch begegnen.

Unter den Quellen nnd Vorgängern deö Peter von Andlau muß, neben Jordanuö von Osnabrück'ö
Oe prerO§3tiv3 imperü komarii (um 1280), namentlich aus Felix Hemmerlin'ö Dialog Oe nobili-
tnte et rusticitnte, Zürich 044—50, hingewiesen werden, wo sich im 16. Kapitel die ganze lO-natcr-
nionentheorie schon in der gleichen Einteilung vorsindet, ebenso wie in einer Colmarer Handschrift um
1450 im Anschluß an die ältefte Colmarer Chronik^). Ja in Verbindung mit einer dentschen Über-
setznng der Goldenen Bulle ift daö System bereitö vollftändig, und zwar in Veröform, in einem Manu-
skript deö British Museum enthalten, daö vom Jahre 1422 ftammt^). Überhaupt werden in Chroniken
oder in Auögaben der Goldenen Bulle außer den Kurfürften nun gern die gesamten Reichöftände nach
den Okuaternionen angefnhrt; alö Einleitung dient dann meift der ftereotype Passuö: „Nun merck wie
daö reich in teutsche/Lant kummen sey ... und ift daö römische reich also gesetzet worden in teutsche lant
aus vier seulen" n. dgl.^). Dieö alleö kann hier nicht im einzelnen verfolgt werden, da eö unö ja vor
allem auf die bildlichen Darftellungen ankommt; eö sei jedoch auf die umfangreiche Literatur zur
Quaternionen-Fragehingewiesen^). Nnrbezüglich derEntftehung deö Syftemö ift noch zu bemerken,
daß dieselbe — wie auö der Auöwahl der bevorzugten Adelögeschlechter und Städte hervorgeht — gewiß
in Südweftdeutschland vor sich gegangen ift; für die Zeit deö Feftwerdenö aber haben wir insofern
ziemlich genaue Anhaltöpunkte, alö eö Grafen von Cilli erft seit 1462 gab, andrerseitö Cleve und
Savoyen, die alö Grafen genannt sind, 1416 und 140 in den Herzogöftand erhoben wurden, so daß
also zwischen 1462 und 1416 die Reihe im allgemeinen feftgelegt worden sein mnß. — Von einer
tatsächlichen, etwa praktisch-ftaatörechtlichen Bedeutung der Institution kann kaum gesprochen werden,
obgleich sie von seiten der Kaiser durch Beftätigung oder Verleihung mehrfach auödrücklich anerkannt
wurde und die durch sie 2luögezeichneten oft erheblichen Wert darauf legten. Eö war aber auch nicht
eine bloße änßerliche Spielerei, wenigftenö nicht in den Zeiten, alö die geiftigen Grundlagen dafür noch
lebendig waren; man kann eö vielleicht am beften alö eine Fiktion bezeichnen, „alö ob" ein solches
besondereö ftändischeö Gerüft exiftierte, auf dem die Sicherheit und der Beftand deö Reicheö vorwiegend
beruhe, eine Art symbolischer Hilfökonftruktion oder Anschaulichmachung, zu deren Verständniö wir
unö eben in die Denk- und Anschauungöweise deö 14. und 15. Jahrhundertö zu versetzen suchen müffen.
Mit der Wandlung dieser gesamten Ideenwelt verfiel daö Ganze, gleich den Erzämtern der Kurfürften,
allmählich der Veräußerlichnng und Verflachung, wovon noch die Rede sein wird.

Der Niederschlag in der bildenden Kunft, dem wir unö nun im einzelnen zuzuwenden haben, ift
mannigfaltiger Art und biöher alö solcher noch kaum erörtert worden, da man daö Thema vorwiegend vom

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