Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ryss, Sonja
Maria Magdalena in der toskanischen Malerei des Trecento — Heidelberg, 1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53308#0010
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

Erörterung zum Verständnis unserer kunstgeschichtlichen Be-
trachtung einiges Wesentliche beiträgt.
Die Hauptfrage, ob es sich in den Evangelien um eine
oder mehrere Magdalenen handelt, halte ich für unlöslich.
Um die Mitte des 1. Jahrtausends muss diese Frage lebhaft
umstritten gewesen sein, denn Papst Gregor I. (590—604)
nahm Anlass, ausdrücklich die Auffassung, welche die Sün-
derin Maria Magdalena, Maria von Bethanien und Maria,
Schwester des Lazarus identifiziert, als die allein richtige
zu bestätigen.1) Die berühmte Legenda aurea des Domini-
kanermönches Jacobus a Voragine (1230—1298), welche ohne
die Andeutung eines möglichen Zweifels die Personeneinheit
annimmt und das Courtisanenleben der Maria Magdalena,
ihre Bekehrung, ihre Busse und ihren Tod in der Provence
schildert, spricht dafür, dass jedenfalls im 13. Jahrhundert
jene Streitfrage gänzlich vergessen und die Interpretation
Gregors I. ins allgemeine Bewusstsein übergegangen war.
In den A. S. wird diese Frage, ob es sich um eine oder
mehrere Frauen handelt, ebenso wie die Fragen, ob Magda-
lena in der Provence oder Ephesus gestorben ist, und ob
ihre Reliquien in Vezelay oder Konstantinopel auf bewahrt
werden, sehr sorgfältig, sehr sophistisch und zuweilen auch
sehr geistreich untersucht und beantwortet. Der Streit
entbrannte besonders hitzig 1519 an der Sorbonne, als zwei
Doktoren Faber Stabulensis und Jodocus behaupteten, es
handelte sich in den Evangelien um drei verschiedene Marien.
Die Heftigkeit der Controverse zwang die theologische Fa-
kultät der Sorbonne, sich 1521 in einer feierlichen Ver-
sammlung über sie öffentlich zu äussern. Das Urteil der
Fakultät lautete im Sinne Gregors I. und der Identität und
betonte: „wir und unsere Nachfolger werden zu hindern be-
müht sein, dass andere Irrlehren ins Volk dringen“.
Die Autorität der theologischen Fakultät in Paris war
im 16. Jahrhundert natürlich nicht so mächtig, wie einst im
6. diejenige Gregors I.; der Gelehrten Disput dauerte fort.
Unzählige Reden werden in den A. S. angeführt, die sich

1) Acta Sanctorum, Juli Bd. 5.
 
Annotationen