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Ryss, Sonja
Maria Magdalena in der toskanischen Malerei des Trecento — Heidelberg, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.53308#0031
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Madonna mit Engeln fanden auf manchen Altären auch Hei-
lige, welchen dieselben geweiht waren, ihre feierliche Dar-
stellung, die Gestalt einzeln, ohne Zweifel auf Goldgrund,
ringsum aber eine Einfassung von lauter kleinen Bildern mit
Erzählungen aus ihrer Legende, denn man hatte noch nicht
die Sitte, diese kleinen Historien auf die Altarstaffel zu be-
schränken . . . Da keines der genannten Bilder mehr seine
ursprüngliche Aufstellung geniesst, weiss man nicht, wie und
in welcher Einfassung sich die Tafel über der Mensa erhob“.1)
Zum Verständnis unserer Tafel müssen wir uns die Le-
genda aurea vergegenwärtigen, die etwas später auch Giotto
und Giovanni da Milano als Vorbild für ihre Schöpfungen
diente. Jede der acht Szenen nimmt ein kleines aufrechtes
Rechteck ein: es ist bemerkenswert, mit welch grossem Ge-
schick der in der Formengebung noch sehr befangene Meister
die Figuren in diesen Flächen disponiert hat.
Links oben finden wir das Mahl beim Pharisäer,
das in einen Kuppelraum an einen weit nach hinten gerück-
ten Tisch verlegt ist. Wie meist der Fall, sitzt Christus an
der linken Schmalseite und sieht teilnahmsvoll, die Rechte
zu einer Geste des Lehrens erhoben, auf die knieende, den
Körper ganz horizontal vorwärts beugende, in ein rotes Ge-
wand gehüllte Magdalena, die seinen linken Fuss mit den
Händen erfasst hat und den Kopf mit demütig schmerzlichem
Ausdruck erhebt. Sie trägt bereits einen kleinen Nimbus.
Das Interesse der drei mit Christus Speisenden konzentriert
sich auf diesen Vorgang, was durch lebhafte, auf Magdalena
weisende Handbewegungen zum Ausdruck kommt. Magdalena
kniet hier im Mittelpunkte der Darstellung, sodass die Auf-
merksamkeit vor allem auf sie gerichtet wird, eine Kompo-
sition, die von den Freskomalern des Trecento mit Ausnahme
Giottos beibehalten wird.
Bei der ziemlich dramatisch komponierten Auferweck-
ung des Lazarus fehlt seltsamerweise Maria Magdalena.
Das Noli me tangere zeigt uns, ohne Grab und
Engel, einen durch Blumen und einen Baum angedeuteten
Garten und im Vordergründe die beiden Gestalten. Die über-

1) Burckhardt, Beiträge zur Kunstgeschichte S. 21.
 
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