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Saxl, Fritz
Mithras: typengeschichtliche Untersuchungen — Berlin: Keller, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.52616#0126
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BEMERKUNGEN ZU DEM TITELBILD

Das Titelblatt gibt ein Mithras-Relief der Renaissance wieder. Dr. Gertrud Bing hat es zuerst als mithräisches
Relief erkannt. Die Abbildung gehört zu den vorzüglichen Detailaufnahmen, die Mr. Clarence Kennedy vom
Grabmal des Cardinals von Portugal in San Miniato bei Florenz gemacht hat. Die Aufnahmen
sind für Band VIII der Serie: „Studies in the History and Criticism of Sculpture“, herausgegeben vom Smith
College, Northampton, Mass., bestimmt. Mr. Kennedy hatte die große Güte, uns die erste Publikation des Bild-
werkes zu gestatten1.
Sicherlich gehört die Darstellung zu den schönsten Mithras-Bildern aller Zeiten. Der Typus des Gottes, der zum
Schlage ausholt, ist selten (s. oben S. 13), uns aber gerade durch eine italische Terracotta bekannt. Auf dieser
erscheint der Gott auch ohne die phrygische Mütze. Der Baum neben der Stiertötung kommt in der alten mithrä-
ischen Plastik bekanntlich ebenfalls vor (vgl. Abbildung 85). In der hier vorliegenden Stilisierung erinnert er an
die Palmen auf den alt-christlichen Sarkophagen von Ravenna. Das flatternde Gewand wie der erhobene Schwanz
des Stieres findet sich auf antiken mithräischen Reliefs, ebenso die Haltung der Vorderbeine der niedergestürzten
Bestie, und das Motiv, daß Mithras auf das Hinterbein tritt. Der Griff nach dem Horn ist ungewöhnlich. Er be-
gegnet uns jedoch ebenfalls ähnlich im Bereich des Nike-Typus, so auf einer Bronze des Louvre (E. Babelon-
J. A. Blanchet, Cat. des Bronzes Ant. de la Bibi. Nat. (Paris 1895) Nr. 685 p. 297)2.
Die Stiertötung erscheint hier vor allem bewegter als auf den alten Mithras-Bildern. Auf diesen bedingte das
Kultische entweder die Wendung zum Beschauer oder das Emporrichten des Hauptes. Beides fehlt im Renaissance-
bild. Die alte mithräische Plastik war in ihrer Masse grob und schwerfällig, denn sie war populär. Die Raschheit
der Handlung, die Eleganz der Bewegung des Handelnden auszudrücken, war ihr religiös unwesentlich. Die
Renaissanceplastik dagegen ist ausgesprochen elegant. In dem Credo der paganisierten Christen der Florentiner
Frührenaissance spielt das Ästhetische eine entscheidende Rolle. Beiden gemeinsam ist, daß sie den Bildtypus des
heroischen Tierbezwingers als Substrat allegorischer religiöser Betrachtung wählen.
Die Frage, welchen speziellen Sinn der Renaissance-Bildhauer oder sein Auftraggeber mit der Darstellung der
Stiertötung verbunden hat, ist schwer zu beantworten.
Als Grabschmuck ist uns das Mithrasbild nicht unverständlich, denn wir kennen Mithras als eine Erlösergottheit.
Aber es wäre vorher zu beweisen, daß jenes antike Bildwerk, das für den Schmuck des Grabmals als Vorbild gedient
hat, von den Gelehrten und Künstlern der Renaissance als mithräisch erkannt wurde. Die Möglichkeit hierzu
scheint nicht ganz gefehlt zu haben. Die Renaissancegelehrten kannten ihren Statius zu gut, als daß ihnen die
Mithrasstelle am Ende des ersten Gesanges der Thebais unbekannt gewesen sein sollte. Daß sie auch den ausführ-
lichen Kommentar zu dieser Stelle von Lactantius Placidus kannten, ist durch die Forschungen Sabbadinis3 und
1 Das Relief ist bisher der Aufmerksamkeit der Forscher zumeist entgangen, da es seitlich am Sockel des Grabmals ange-
bracht ist, also durch die Nischenwand fast verborgen wird.
2 Als Gegenstück zu der Stiertötung ist ein geflügelter Lichtgenius auf klassischer Biga dargestellt. Den Stab als Zeichen des
Wagenlenkers trägt Sol auch auf antiken Denkmälern, ebenso ist die Biga als antik bezeugt, wenn auch die quadriga solis
das häufigere ist. Deutet die Innenmodellierung des Wagens die Flammen der Sonne an ? Unantik sind die Flügel. In der
Antike erscheint nur Eos geflügelt auf der Biga. Vgl. Roscher, s. v. Eos, Sp. 1276f. — Die geflügelten Genien der Vorder-
seite gehen auf die berühmte Darstellung des Tigris vor dem Senatoren-Palast in Rom zurück, die später — zwischen
1565 und 68 — dadurch in das Bild des Tiber verwandelt wurde, daß an die Stelle des Tigers die Lupa gesetzt wurde. Vgl.
W. Helbig, Führer durch d. Slg. Klassischer Altertümer in Rom, I3, S. 412. Der ursprüngliche Zustand ist wiedergegeben
in: Ritratto di Roma Antica ... all’ill. Duca de Crequi2, Roma 1633, p. 221. Der Verf. verdankt diesen Hinweis und
andere Angaben zur Exegese des Denkmals der Mitarbeit von Frl. Erna Mandowsky.
3 Remigio Sabbadini, le scoperte dei codici latini e greci ne’ secoli XIV e XV. Firenze 1914, p. 231.

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