Herakles ist im späteren Mittelalter und ganz besonders in der Renaissance Vertreter des tugendhaften Menschen1,
dem die von ihm bekämpften Fabelwesen als Allegorien verschiedener Laster gegenübertreten. In der Ovid-Allegorie
des Giovanni da Buonsignori (ca. 1370), die zuerst 1497 bei Zoane Rosso in Venedig erschien, lesen wir als Auslegung
des Kampfes zwischen Herakles und dem Stiergestaltigen Acheloos (Lib. IX Cap. V): „Ma per Hercule s’intende la
uirtude: contra de cui si leua la libidine“, — und in den lateinischen moralitates librorum Metamorphoseos Ouidii
des Thomas Walleys hieß es von diesem Kampf: „Hercules filius dei dicitur cuius fortitudo est quasi Rinocerontis:
illum qui nunc erat anguis per fallaciam nunc taurus per proterviam vicit et expugnavit“ (lib. IX fab. I).
So werden also auch die Darstellungen an unseren Grabdenkmälern dazu bestimmt gewesen sein, die Tugenden
der Verstorbenen zu verherrlichen, und im Fall des Kardinals von Portugal ließe sich diese Deutung im Sinne einer
Keuschheitsallegorie spezialisieren und präzisieren. Denn gerade der Stier — ob man ihn nun als Achelous oder als
kretischen Stier auffaßt — gilt in beiden Fällen als Vertreter der Libido, derselben Libido, deren tugendhafte Ver-
achtung dem Kardinal bildhaft und literarisch nachgerühmt wird. Denn bei Vespasiano» da Bisticci heißt es von
ihm „Er sprach nie mit einer Frau, ging auch nicht hin, wo er eine hätte antreffen können“. Und an der Front des
Grabmals finden wir zweimal das mittelalterliche Keuschheitssymbol, das Einhorn, dargestellt.
1 Vgl. Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege (Studien d. Bibi. Warburg XVIII, Leipzig 1930) passim.
dem die von ihm bekämpften Fabelwesen als Allegorien verschiedener Laster gegenübertreten. In der Ovid-Allegorie
des Giovanni da Buonsignori (ca. 1370), die zuerst 1497 bei Zoane Rosso in Venedig erschien, lesen wir als Auslegung
des Kampfes zwischen Herakles und dem Stiergestaltigen Acheloos (Lib. IX Cap. V): „Ma per Hercule s’intende la
uirtude: contra de cui si leua la libidine“, — und in den lateinischen moralitates librorum Metamorphoseos Ouidii
des Thomas Walleys hieß es von diesem Kampf: „Hercules filius dei dicitur cuius fortitudo est quasi Rinocerontis:
illum qui nunc erat anguis per fallaciam nunc taurus per proterviam vicit et expugnavit“ (lib. IX fab. I).
So werden also auch die Darstellungen an unseren Grabdenkmälern dazu bestimmt gewesen sein, die Tugenden
der Verstorbenen zu verherrlichen, und im Fall des Kardinals von Portugal ließe sich diese Deutung im Sinne einer
Keuschheitsallegorie spezialisieren und präzisieren. Denn gerade der Stier — ob man ihn nun als Achelous oder als
kretischen Stier auffaßt — gilt in beiden Fällen als Vertreter der Libido, derselben Libido, deren tugendhafte Ver-
achtung dem Kardinal bildhaft und literarisch nachgerühmt wird. Denn bei Vespasiano» da Bisticci heißt es von
ihm „Er sprach nie mit einer Frau, ging auch nicht hin, wo er eine hätte antreffen können“. Und an der Front des
Grabmals finden wir zweimal das mittelalterliche Keuschheitssymbol, das Einhorn, dargestellt.
1 Vgl. Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege (Studien d. Bibi. Warburg XVIII, Leipzig 1930) passim.