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Schaefer, Karl
Die älteste Bauperiode des Münsters zu Freiburg im Breisgau — Freiburg, i. Br., 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.12661#0041
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— 37 —

die Formen der vier Westjoche als etwa gleichzeitig mit denen des
1275 vollendeten Strassburger Langhauses dar, was sich sehr wohl
mit ihrem Stile verträgt; ferner werden die Skulpturen der Freiburger
Vorhalle, wie es ihre Formen schon längst wünschenswert erscheinen
Hessen, denjenigen der Sabina an der Südfront des Strassburger Quer-
schiffs und denjenigen des Doms zu Bamberg auch zeitlich näher
gerückt; und endlich bleibt dann auch Zeit genug für die nach oben
mehr und mehr sich verzögernde Fortführung des Turmbaus, der
offenbar um das Jahr 1300 beendigt war. Wenn man es nicht lieber
ganz vermeidet, die Inschrift einer leicht beweglichen Glocke als
Kriterium zu gebrauchen, so lässt sich wohl denken, dass die 1258
gegossene grosse Susanna von vorn herein für diesen Turm bestimmt
war, was von den übrigen, heute nicht mehr vorhandenen, die laut
ihrer Inschriften 87 aus den Jahren 1281 und 1300 stammten, keinem
Zweifel unterliegt.

Zu seiner willkürlichen, wenn auch geistreich verfochtenen
Combination der Baugeschichte veranlasste Adler seine vorgefasste
Uberzeugung, dass Meister Erwin selbst jener Architekt gewesen sei,
der, nachdem er eben in Paris seine Studien beendist hatte, an der
Stiftskirche zu Wimpfen seine ersten Sporen verdiente, dann mit fünf
Gesellen nach Freiburg kam und bis 1274 die Hauptteile des Turms
und des Langhauses errichtete, bis er nach Strassburg berufen, dort
den genialen Entwurf der Westfront als sein letztes Meisterwerk
schuf.88 Diesem Gedanken zuliebe, der wie. uns scheint aus einer
irrtümlichen Vorstellung von der Stellung und dem Wert des In-
dividuums in der mittelalterlichen Architektur entsprungen ist, hat

87 Vgl. die Inschriften bei Schreiner Beilage und Mabnoh p. 50.

Begründet wird diese Annahme in erster Linie durch die Steinmetz-
zeichen, die nach Adler beweisen, dass ein Teil der Gesellen des Turmmeisters
in Freiburg an den Chören und am Querschiff der Wimpfener Kirche mitgearbeitet
haben, und dass ferner von den 28 Gesellen, mit denen Erwin seine Bauthätig-
keit an der Johanniskapelle des Strassburger Münsters begann. 12 aus Freiburg
stammten. Aber diese Schlüsse Adlers setzen eine Beweiskraft der Steiumetz-
zeichen als geschichtliche Urkunden voraus, die durchaus nicht feststeht, über
die wir uns aber kurz aussprechen müssen, da wir selbst wiederholt uns dieser
Zeichen als historische Kriterien bedienten.

Es liegt unserer Auffassung am nächsten, die Urhebermarken, welche in
der hier besprochenen Periode, zumeist aus Buchstaben bestehend, an den Quader-
bauten der späteren romanischen und der f'rühgothischen Baukunst sich finden,
als Ehrenzeichen anzusehen; das sind sie aber — in dieser Zeit — keineswegs:
Denn einmal sind sie, wie wir bei gelegentlichen Restaurationsarbeiten an den
verschiedensten Teilen des Freiburger Westturms feststellen konnten, sehr häufig
an den Versatzflächen der einzelnen Quader angebracht, und ferner fehlen sie an
sämtlichen Bildwerken der Vorhalle sowohl als der Strebepfeileraufsätze. Ein
 
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