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Schaefer, Karl
Die älteste Bauperiode des Münsters zu Freiburg im Breisgau — Freiburg, i. Br., 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.12661#0040
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— 86 —

aufgeschlagen worden ist und somit sehr wohl als Grundlage eines
oberen Gerüstes benützt werden konnte. Jene Jahreszahl ist aber
jedenfalls nicht eingemeisselt worden, bevor die beiden untersten Ge-
schosse des Westturmes fertig standen und sich über die Firsthöhe
des Langhauses erhoben.

Wenn wir nun bedenken, dass der Meister; .welcher den Bau
nach Vollendung der Ostjoche fortführte, erst nach Westen fort-
schreitend die Fundamente des Langhauses legen lassen musste, be-
vor er mit der Westfront und dem Turm beginnen konnte; wenn
wir sehen, dass an diesen gewaltigen gleichzeitig errichteten Mauer-
massen die zahlreichen Skulpturen — die Rosenfenster der Seiten-
schiffwäride, die Blendarkaden der Vorhalle samt ihren Wimpergen,
die Baldachine über den Statuen und wahrscheinlich auch diese selbst
nicht erst später angefügt, sondern gleichzeitig aus dem laufenden
Stein gearbeitet sind, so wird wohl auch die Arbeit vonvierzig Stein-
metzen — so viele scheinen es nach den Zeichen an den Wänden
der St. Michaelskapelle etwa gewesen zu sein — den Bau nicht all
zu rasch zu einer Höhe von 50 — 60 m gefördert haben, selbst wenn
wir die ohne Zweifel mächtig treibende Energie des Meisters in Rech-
nung ziehen. Adler zu folgen, der es für nicht nur möglich, son-
dern für ausgemacht hält, dass in den sechs Jahren von 1268—1274
der Turm bis zum freien Achteckgeschoss vollendet worden sei, ver-
mag wohl niemand, der bedenkt, dass es sich nicht um ein blosses
Aufschichten längst zubereiteter Werkstücke handelt, sondern dass
diese nur langsam und in bescheidener Zahl die Hände der Stein-
metzen und die Hütte verliessen.

Alle diese Momente zeigen uns, dass wir den Eintritt des Turm-
meisters in die Bauhütte vielleicht schon vor das Jahr 1250 setzen
müssen, und der Stil der vier westlichen Langhausjoche, die noch
manche unreiferen und früheren Formen zeigen als die entsprechen-
den Partien des Strassburger Münsters, kann das nur bestätigen;
denn die Quaderfugung an der Obermauer des Mittelschiffs längs des
Turms und der etwas missgiückte. verschobene Anschluss derselben
Mauer an die Ostjoche zeigt deutlich, dass zum mindesten die Licht-
gadenmauern des Mittelschiffs und die Gewölbe eingefügt wurden,
nachdem der Turm schon sein drittes Geschoss bis über die Scheitel-
höhe des Langhausgewölbes erhoben hatte.86 Wenn wir also den
Beginn des Turmbaus in die Zeit um 1250 setzen, .so stellen sich

86 Von den Seitcnschift'mauern liisst sieh das nicht mit Bestimmtheit be-
haupten ; sie können wohl auch gleichzeitig mit dem Unterbau des Turms ent-
standen sein ; die Steinmetzzeichen an den Arkadenpf'eilern und Aussenmauern
gehören nieist zu jenen der Michaelskapelle.
 
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