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Griechische und römische Baukunst
wohlgefügtem Steinquaderwerk gebauten Mauern
(S. 151) erhielten die Städte den starken Schutj,
dessen lie in diesen kriegeriseben Zeiten bedurf-
ten.1) Durch Straß enpflasterung, AbwälTerungskanäle,
WalTerleitungen, die wie früher noch unterirdisch
als Röhrenleitungen hingeführt sind, war für die
öffentliche Wohlfahrt gesorgt (S. 152). Von den
dafür gemachten Aufwendungen gibt die gewaltige
Hochdruckleitung von Pergamon (S. 152,4) ein groß-
artig es Beispiel. Unter den öffentlichen Bauten nehmen
die dem Geschäfts- und Marktverkehr dienenden ge-
schlosienen und offenen Hallen den breiteslen Raum
ein (S. 146, 156-158). Von den Verwaltungsge-
bäuden finden wir den Typus des Rathauses in
Milet und Priene (S. 156, 1 —3), von den den Zwecken
der ösfentlichen Spiele dienenden Bauanlagen den
des Gymnasion und des Theaters (S. 153—155) fast
an allen ausgegrabenen Plätjen in Beispielen ver-
treten. Nicht für alle diese Gebäudearten sind die
Typen erst in der helleniflischen Zeit erfunden. Wohl
für die meifien gilt, was für das Privathaus genauer
feslllellbar ist. Dieses erscheint im Anfang des Helle-
nismus, aus dem wir es in Priene kennen lernen
(S. 160, 1. 2), mit dem einfachen Hof, dem mit einer
Vorhalle auf diesen geöffneten Hauptraum (Oikos)
und den seitlich angeordneten Nebenräumen noch in
der Anlage, in der es den urtümlichen mykenischen
Megarontypus (Heft III, S. 78) fortführend durch die
ganze vorausliegende Zeit behänden hat, erfährt
nun aber eine Um- und Neugestaltung, indem der
Hof erweitert und mit einer umlaufenden Säulen-
halle zum Periflyl ausgebildet wird, das die Vorhalle
des Oikos in sich aufnimmt, diese gleichsam zu einem
um den ganzen Hof herumgeführten flattlichen Um-
gang erweitert (S. 160, 4. 5). Die Säulenhalle, wie
sie so den neuen Haustypus beflimmt, und ähnlich
in andere mit Höfen verbundene Gebäude wie die
Gymnasien übergeht, für die Tempelhöfe und freien
Plätze als umrahmende Dekoration üblich wird, bringt
das mit der Entwicklung großstädtischen Lebens im
Hellenismus herrschend werdende Streben nach Weit-
räumigkeit und freier Gliederung der Bauanlagen
am deutlichsten zum Ausdruck. Dementlprechend sind
auch die Säulenhallen möglich!! leicht und offen
gehalten und gern in zwei Stockwerken schlank in
die Höhe geführt nach dem Vorbild, das Soslratos
’) Die für die Einzelheiten der Konstruktion lehrreiche
Publikation von F. Krischen, Die Befestigungen von He-
rakleia am Latmos, als Heft 2 des III. Bandes des Milet-
werkes 1922 erschienen, hat leider nicht mehr benutzt
werden können.
von Knidos (Anfang des 3. Jahrhunderts) mit der
Erfindung der »stoa pensilis« gegeben hatte.
Wie in der Literatur bildet sich in der Kunsl
im Hellenismus eine Weltsprache. Wir lernen sie
in der Architektur aus dem Profanbau kennen,
während der Tempelbau innerhalb der überlieferten
Tradition bleibt. War vorher namentlich die attische
Baukunst schon zu einer Verbindung der ionischen
und dorischen Ordnung übergegangen, so tritt nun
eine Vermischung der Formen beider Ordnungen
ein, in der, wie in der Literatursprache, das lonische
tonangebend wird. Der dorische Stil nähert sich
dem ionischen, indem er schlankere Formen und
leichtere Verhältnisse annimmt. Die hiermit zu-
sammenhängende Erweiterung der Säulenabstände
zieht ein Abgehen von der kanonischen, durch die
Säulen- und Interkolumnienachsen gebundenen Trig-
lyphenstellung, eine Anordnung mehrerer Triglyphen
über je einem Interkolumnium nach sich (S. 146,3—5).
Insbesondere für die Säulenhalle ergab sich aus
deren Zweckbestimmung als dem Verkehr dienende
Anlage die Weitstellung der Säulen als Erfordernis.
Sie bot auch mit dem Motiv des zweistöckigen Auf-
baues zu der Vermischung der Formen den nächslen
Anlaß. An den Hallen S. 146, 4 — 5 fleht über dem
dorischen Untergeschoß ein ionisches Obergeschoß
mit dorischem Triglyphenfries in dem im übrigen
ionischen Gebälk. Ähnlich hat die mit den Stil-
elementen besonders frei sihaltende helleniflische
Kunfl des Weitens den ionischen Zahnschnitt gern
mit dorischem Gebälk verbunden (S. 149, 1. 2. 3).
In dieser rein ornamentalen Behandlung der Bau-
glieder spricht sich die dekorative Tendenz des
Hellenismus aus. Sie hat auch zu mannigfachen
Versuchen von Änderung, Variierung und Bereiche-
rung der überlieferten Formentypen (S. 147, 158, 3.
4), wie zu Neubildungen geführt, von denen die
Konsole (S. 147, 5. 15. 16) ein in der Folge dauern-
des, viel verwendetes Ziermotiv geworden ifl (S. 170,
5; 180, 2; 181, 6; 187, 6).
In der zweiten Hälste des Hellenismus gelangt
die korinthisihe Ordnung, nachdem sie vorher mehr
in der Rolle der dekorativen Begleitung geblieben
war, zu gleichwertiger Verwendung mit der ionischen
und mit der nun immer mehr zurücktretenden dori-
schen Ordnung. Sie tritt damit in die Entwicklung
ein, die sie weiterhin in der Kunfl der Kaiserzeit
zu überwiegender Geltung und reichster Ausbildung
geführt hat. Die dafür vorliegende Überlieferung
scheint mit dem Palafle von Tyros (S. 148, 6 — 8)
und ebenso auch mit den, wie jener, der erflen
Griechische und römische Baukunst
wohlgefügtem Steinquaderwerk gebauten Mauern
(S. 151) erhielten die Städte den starken Schutj,
dessen lie in diesen kriegeriseben Zeiten bedurf-
ten.1) Durch Straß enpflasterung, AbwälTerungskanäle,
WalTerleitungen, die wie früher noch unterirdisch
als Röhrenleitungen hingeführt sind, war für die
öffentliche Wohlfahrt gesorgt (S. 152). Von den
dafür gemachten Aufwendungen gibt die gewaltige
Hochdruckleitung von Pergamon (S. 152,4) ein groß-
artig es Beispiel. Unter den öffentlichen Bauten nehmen
die dem Geschäfts- und Marktverkehr dienenden ge-
schlosienen und offenen Hallen den breiteslen Raum
ein (S. 146, 156-158). Von den Verwaltungsge-
bäuden finden wir den Typus des Rathauses in
Milet und Priene (S. 156, 1 —3), von den den Zwecken
der ösfentlichen Spiele dienenden Bauanlagen den
des Gymnasion und des Theaters (S. 153—155) fast
an allen ausgegrabenen Plätjen in Beispielen ver-
treten. Nicht für alle diese Gebäudearten sind die
Typen erst in der helleniflischen Zeit erfunden. Wohl
für die meifien gilt, was für das Privathaus genauer
feslllellbar ist. Dieses erscheint im Anfang des Helle-
nismus, aus dem wir es in Priene kennen lernen
(S. 160, 1. 2), mit dem einfachen Hof, dem mit einer
Vorhalle auf diesen geöffneten Hauptraum (Oikos)
und den seitlich angeordneten Nebenräumen noch in
der Anlage, in der es den urtümlichen mykenischen
Megarontypus (Heft III, S. 78) fortführend durch die
ganze vorausliegende Zeit behänden hat, erfährt
nun aber eine Um- und Neugestaltung, indem der
Hof erweitert und mit einer umlaufenden Säulen-
halle zum Periflyl ausgebildet wird, das die Vorhalle
des Oikos in sich aufnimmt, diese gleichsam zu einem
um den ganzen Hof herumgeführten flattlichen Um-
gang erweitert (S. 160, 4. 5). Die Säulenhalle, wie
sie so den neuen Haustypus beflimmt, und ähnlich
in andere mit Höfen verbundene Gebäude wie die
Gymnasien übergeht, für die Tempelhöfe und freien
Plätze als umrahmende Dekoration üblich wird, bringt
das mit der Entwicklung großstädtischen Lebens im
Hellenismus herrschend werdende Streben nach Weit-
räumigkeit und freier Gliederung der Bauanlagen
am deutlichsten zum Ausdruck. Dementlprechend sind
auch die Säulenhallen möglich!! leicht und offen
gehalten und gern in zwei Stockwerken schlank in
die Höhe geführt nach dem Vorbild, das Soslratos
’) Die für die Einzelheiten der Konstruktion lehrreiche
Publikation von F. Krischen, Die Befestigungen von He-
rakleia am Latmos, als Heft 2 des III. Bandes des Milet-
werkes 1922 erschienen, hat leider nicht mehr benutzt
werden können.
von Knidos (Anfang des 3. Jahrhunderts) mit der
Erfindung der »stoa pensilis« gegeben hatte.
Wie in der Literatur bildet sich in der Kunsl
im Hellenismus eine Weltsprache. Wir lernen sie
in der Architektur aus dem Profanbau kennen,
während der Tempelbau innerhalb der überlieferten
Tradition bleibt. War vorher namentlich die attische
Baukunst schon zu einer Verbindung der ionischen
und dorischen Ordnung übergegangen, so tritt nun
eine Vermischung der Formen beider Ordnungen
ein, in der, wie in der Literatursprache, das lonische
tonangebend wird. Der dorische Stil nähert sich
dem ionischen, indem er schlankere Formen und
leichtere Verhältnisse annimmt. Die hiermit zu-
sammenhängende Erweiterung der Säulenabstände
zieht ein Abgehen von der kanonischen, durch die
Säulen- und Interkolumnienachsen gebundenen Trig-
lyphenstellung, eine Anordnung mehrerer Triglyphen
über je einem Interkolumnium nach sich (S. 146,3—5).
Insbesondere für die Säulenhalle ergab sich aus
deren Zweckbestimmung als dem Verkehr dienende
Anlage die Weitstellung der Säulen als Erfordernis.
Sie bot auch mit dem Motiv des zweistöckigen Auf-
baues zu der Vermischung der Formen den nächslen
Anlaß. An den Hallen S. 146, 4 — 5 fleht über dem
dorischen Untergeschoß ein ionisches Obergeschoß
mit dorischem Triglyphenfries in dem im übrigen
ionischen Gebälk. Ähnlich hat die mit den Stil-
elementen besonders frei sihaltende helleniflische
Kunfl des Weitens den ionischen Zahnschnitt gern
mit dorischem Gebälk verbunden (S. 149, 1. 2. 3).
In dieser rein ornamentalen Behandlung der Bau-
glieder spricht sich die dekorative Tendenz des
Hellenismus aus. Sie hat auch zu mannigfachen
Versuchen von Änderung, Variierung und Bereiche-
rung der überlieferten Formentypen (S. 147, 158, 3.
4), wie zu Neubildungen geführt, von denen die
Konsole (S. 147, 5. 15. 16) ein in der Folge dauern-
des, viel verwendetes Ziermotiv geworden ifl (S. 170,
5; 180, 2; 181, 6; 187, 6).
In der zweiten Hälste des Hellenismus gelangt
die korinthisihe Ordnung, nachdem sie vorher mehr
in der Rolle der dekorativen Begleitung geblieben
war, zu gleichwertiger Verwendung mit der ionischen
und mit der nun immer mehr zurücktretenden dori-
schen Ordnung. Sie tritt damit in die Entwicklung
ein, die sie weiterhin in der Kunfl der Kaiserzeit
zu überwiegender Geltung und reichster Ausbildung
geführt hat. Die dafür vorliegende Überlieferung
scheint mit dem Palafle von Tyros (S. 148, 6 — 8)
und ebenso auch mit den, wie jener, der erflen