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Schäfer, Heinrich
Das Bildnis im alten Ägypten — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 2: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.61199#0013
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Rumpf aufgebaut ist, der dem Beschauer meist die
volle Vorderansicht, selten die Seite, niemals aber
eine Zwischenansicht bietet. Das Bildnis würdiger
Menschen ins Genre hineinzuziehen, hat nur Ameno-
phis IV. gewagt. Denn die häufige Haltung des
Schreibens und Lesens ist doch mehr eine Standes-
bezeichnung, und ebensowenig gehören dahin die
Bildnisse, die die Person bei religiösen oder sym-
bolischen Handlungen zeigen. Ein fast stets inne-
gehaltener Unterschied ist, daß die Frau in der'
Ruhestellung mit geschlossenen Beinen gebildet
wird, der Mann zwar nicht, wie man es nennt,
schreitend, aber doch mit vorgestelltem linken
Bein, gleichsam jederzeit zum Handeln bereit.
Auf die Gesichtsmuskeln greift die Bewegung bei
keinem ägyptischen Menschenbilde über. Nur ganz
wenige Beispiele — und auch diese nur in Flach-
bildern — gibt es, wo etwa der Mund eines Sängers
geöffnet ist. Zorn, Schreck, Schmerz und andere
augenblickliche Gemütsbewegungen zeigen sich nur
in der Gliederbewegung, nicht in den Gesichtern.
Seit dem Mittleren Reiche umzieht manchmal ein
fast lächelnder Zug den Mund. Im Neuen Reiche
wird er häufiger, und in der Spätzeit beinahe die
Regel. Doch ist er nicht Ausdruck einer vorüber-
gehenden Gemütsbewegung, sondern der dauern-
den gütigen Gesinnung. So blicken die Ägypter aller
drei Jahrtausende aus ihren Statuengesichtern in
unerschütterter Ruhe auf uns.
Wir sind heute gewohnt zu glauben, daß ein wirk-
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