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Genug, wo die Natur die menschliche Gestalt schön bildet,
hat sie in derselben einen Styl, d. h. die Beschränkung. der
möglichen Mannigfaltigkeit beruht auf einem der menschlichen
Organisation inwohnenden, nicht ihr fremden' Prinzip, der
5 Charakter der Menschheit spricht sich da am reinsten aus.
Es giebt also auch in der menschlichen Schönheit etwas all-
gemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebil-
deten Nationen nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren,
machen es doch die Manieristen in der sWs. 24 Kunst mit
io dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift
sich, daß Nationen die aus einer solchen einseitigen, ihnen
von der Natur ausgezwungnen National-Physiognomie nicht
' heraus können, in der bildenden Kunst, deren höchster Gegen-
stand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte
io machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben;
wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig
begünstigten Nation, wie die Griechen waren, ganz vorzugs-
weise gedeihen mußte. Man hat gewöhnlich die Gymnastik
als eine Hauptursache von dem Flor der bildenden Künste
so bey den Griechen angesehen; mir scheinen' vielmehr beyde
aus derselben Quelle hersließeude Wirkungen zu seyn. Aus
demselben Grunde, warum die Griechen die Vollkommenheit
der Plastik erfanden, mußten sie auch die Gymnastik erfinden,
welche allen ihren Bewegungen die höchste Freyheit und
25 Harmonie gab; sie halsen dadurch den stark angedeuteten
Intentionen der Natur nur nach.
Akerstcht und Kinlheirung der schönen Künste.
. Die Künste treiben ihr Wesen im Reich der Erscheinungen,
sie stellen sinnlich dar. Nun giebt es aber zwey Formen der
so sinnlichen Anschauung, s24ifi Raum und Zeit. Darnach lassen
sich zwey Gattungen von Künsten denken, solche die simultan
und die successiv darstellen.
Der Sinn welcher uns den Raum öffnet ist das Gesicht.
Denn wiewohl das Gefühl Formen der Körper heraustasten,
35 und uns einen Begriff von der Bewegung geben kann, so
Genug, wo die Natur die menschliche Gestalt schön bildet,
hat sie in derselben einen Styl, d. h. die Beschränkung. der
möglichen Mannigfaltigkeit beruht auf einem der menschlichen
Organisation inwohnenden, nicht ihr fremden' Prinzip, der
5 Charakter der Menschheit spricht sich da am reinsten aus.
Es giebt also auch in der menschlichen Schönheit etwas all-
gemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebil-
deten Nationen nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren,
machen es doch die Manieristen in der sWs. 24 Kunst mit
io dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift
sich, daß Nationen die aus einer solchen einseitigen, ihnen
von der Natur ausgezwungnen National-Physiognomie nicht
' heraus können, in der bildenden Kunst, deren höchster Gegen-
stand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte
io machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben;
wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig
begünstigten Nation, wie die Griechen waren, ganz vorzugs-
weise gedeihen mußte. Man hat gewöhnlich die Gymnastik
als eine Hauptursache von dem Flor der bildenden Künste
so bey den Griechen angesehen; mir scheinen' vielmehr beyde
aus derselben Quelle hersließeude Wirkungen zu seyn. Aus
demselben Grunde, warum die Griechen die Vollkommenheit
der Plastik erfanden, mußten sie auch die Gymnastik erfinden,
welche allen ihren Bewegungen die höchste Freyheit und
25 Harmonie gab; sie halsen dadurch den stark angedeuteten
Intentionen der Natur nur nach.
Akerstcht und Kinlheirung der schönen Künste.
. Die Künste treiben ihr Wesen im Reich der Erscheinungen,
sie stellen sinnlich dar. Nun giebt es aber zwey Formen der
so sinnlichen Anschauung, s24ifi Raum und Zeit. Darnach lassen
sich zwey Gattungen von Künsten denken, solche die simultan
und die successiv darstellen.
Der Sinn welcher uns den Raum öffnet ist das Gesicht.
Denn wiewohl das Gefühl Formen der Körper heraustasten,
35 und uns einen Begriff von der Bewegung geben kann, so