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Es bedarf kaum des Hinweises, daß in der Wirklichkeit, also beim Hören des
Gedichts, die Faktoren der beiden Gruppen von Wirkungen sich fortgesetzt durch-
kreuzen, gleichzeitig eintreten und, wie sich auch Wortklang und Wortsinn in
Wirklichkeit stets verbinden, die verschiedenartigen Einzelwirkungen zu einem ein-
heitlichen Gesamteindrucke sich verknüpfen. Die metrische Untersuchung aber muß
gerade deshalb beide Seiten gesondert betrachten. Nur so kauu sie Aufschluß
über die ganze Summe der Einzelwirkungen geben, welche den charakteristischen
Gesamteindruck eurer Dichtung zusammensetzen. So ergibt sich eine Zweiteilung der
Untersuchung: Wir betrachten Uhlands Gedichte zuerst unter dem reirr rhythmischen
Gesichtspunkt; zweitens — die Beziehungen zwischen Inhalt und rhythmischer
Farrn ins Auge fassend — unter denr rhythmisch-logischen Gesichtspunkte. Für
den ersten Teil der Arbeit weist die Natur des poetischeu Rhythnrizomeuous auf
eure dreifache Seite der Betrachtung Hirr. Indessen hat eure metrische Untersuchung
das Sprachmelodische nur soweit zu berücksichtigen, als es den Rhythmus be-
einflußt ^. Die Uutersuchungeu aber über die rhythmischen Enrpfürduugen, die
Ür Verbiuduug mit deu Bewegrurgen der Sprachorgane entstehen, fallen iirs
Gebiet der Psychologie des Rhythmus.
So sind für die Betrachtung des reirr rhythmischen Charakters der Lantklänge
in der Poesie weitere Gesichtspunkte zu gewürueu. Dieser Teil der Untersuchung
umfaßt nuu im wesentlichen eure Betrachtung der Strophenfornren, derrrr indem
wir von der Wirkung der metrischen Formen auf das Ohr ausgeheu, zeigt es
sich, daß eure derartige Betrachtung der Strophe zugleich eine Untersuchung aller
ihr untergeordneten Elemente ür sich schließt. Ein Versfuß isoliert, eiu Vers als
solcher, kommt im gehörten Rhythmus gar nicht vor, beide können nur ür ihrer
Stellung zum größten rhythmischen Garizerr betrachtet werden. Als höchste
rhythmische Einheit aber fassen wir die Strophe auf. Die Uutersuchuug wird
zwar auch höhere, über die Strophe hiuausgehende rhythmische Einheiten kon-
statieren, aber ihre Grerrzeir sind öfters wenig hervortretend, ihr Vorkommen zer-
streut und uuregelmäßig, sodaß diese Abschuitte als rhythmische Gruppen zunächst
außer Betracht bleiben müssen. Die Psychologie des Rhythmus führt nuu in
der Hauptsache auf drei Bedingungen, von denen die rhythmische Wirkung der
Strophen abhängt. Die Auffassung höherer rhythmischer Gebilde, wie sie in den
Strophenformen vor uns liegen, beruht auf intellektuellen Prozessen: Assoziationen,
Apperzeptionen, Reproduktionen^. Je komplizierter die rhythmischen Formen sind,
in desto höherein Grade sind die beider: letzteren Arter: geistiger Tätigkeit wirksam.
Mit der Mühseligkeit, mit welcher sich dieselbei: vollziehen, hängt rum das Lust-
gefühl, das sie verursachen, aufs engste zusammen. Die Mühelosigkeit der Apper-
zeptionen und Reproduktionen wird bedingt, einmal durch eü:e Art und Weise
der Gruppenbildnug innerhalb des die Strophe substituierenden Systems von
iS Sievers, Über Sprachmelodisches in der deutschen Dichtung. Rektoratsrede. Leipzig 1901.
2° Vgl. Meumann a. a. O. — Wundt a. a. O., besonders II, S. 83 ff., 234 ff., S24 ff.
Es bedarf kaum des Hinweises, daß in der Wirklichkeit, also beim Hören des
Gedichts, die Faktoren der beiden Gruppen von Wirkungen sich fortgesetzt durch-
kreuzen, gleichzeitig eintreten und, wie sich auch Wortklang und Wortsinn in
Wirklichkeit stets verbinden, die verschiedenartigen Einzelwirkungen zu einem ein-
heitlichen Gesamteindrucke sich verknüpfen. Die metrische Untersuchung aber muß
gerade deshalb beide Seiten gesondert betrachten. Nur so kauu sie Aufschluß
über die ganze Summe der Einzelwirkungen geben, welche den charakteristischen
Gesamteindruck eurer Dichtung zusammensetzen. So ergibt sich eine Zweiteilung der
Untersuchung: Wir betrachten Uhlands Gedichte zuerst unter dem reirr rhythmischen
Gesichtspunkt; zweitens — die Beziehungen zwischen Inhalt und rhythmischer
Farrn ins Auge fassend — unter denr rhythmisch-logischen Gesichtspunkte. Für
den ersten Teil der Arbeit weist die Natur des poetischeu Rhythnrizomeuous auf
eure dreifache Seite der Betrachtung Hirr. Indessen hat eure metrische Untersuchung
das Sprachmelodische nur soweit zu berücksichtigen, als es den Rhythmus be-
einflußt ^. Die Uutersuchungeu aber über die rhythmischen Enrpfürduugen, die
Ür Verbiuduug mit deu Bewegrurgen der Sprachorgane entstehen, fallen iirs
Gebiet der Psychologie des Rhythmus.
So sind für die Betrachtung des reirr rhythmischen Charakters der Lantklänge
in der Poesie weitere Gesichtspunkte zu gewürueu. Dieser Teil der Untersuchung
umfaßt nuu im wesentlichen eure Betrachtung der Strophenfornren, derrrr indem
wir von der Wirkung der metrischen Formen auf das Ohr ausgeheu, zeigt es
sich, daß eure derartige Betrachtung der Strophe zugleich eine Untersuchung aller
ihr untergeordneten Elemente ür sich schließt. Ein Versfuß isoliert, eiu Vers als
solcher, kommt im gehörten Rhythmus gar nicht vor, beide können nur ür ihrer
Stellung zum größten rhythmischen Garizerr betrachtet werden. Als höchste
rhythmische Einheit aber fassen wir die Strophe auf. Die Uutersuchuug wird
zwar auch höhere, über die Strophe hiuausgehende rhythmische Einheiten kon-
statieren, aber ihre Grerrzeir sind öfters wenig hervortretend, ihr Vorkommen zer-
streut und uuregelmäßig, sodaß diese Abschuitte als rhythmische Gruppen zunächst
außer Betracht bleiben müssen. Die Psychologie des Rhythmus führt nuu in
der Hauptsache auf drei Bedingungen, von denen die rhythmische Wirkung der
Strophen abhängt. Die Auffassung höherer rhythmischer Gebilde, wie sie in den
Strophenformen vor uns liegen, beruht auf intellektuellen Prozessen: Assoziationen,
Apperzeptionen, Reproduktionen^. Je komplizierter die rhythmischen Formen sind,
in desto höherein Grade sind die beider: letzteren Arter: geistiger Tätigkeit wirksam.
Mit der Mühseligkeit, mit welcher sich dieselbei: vollziehen, hängt rum das Lust-
gefühl, das sie verursachen, aufs engste zusammen. Die Mühelosigkeit der Apper-
zeptionen und Reproduktionen wird bedingt, einmal durch eü:e Art und Weise
der Gruppenbildnug innerhalb des die Strophe substituierenden Systems von
iS Sievers, Über Sprachmelodisches in der deutschen Dichtung. Rektoratsrede. Leipzig 1901.
2° Vgl. Meumann a. a. O. — Wundt a. a. O., besonders II, S. 83 ff., 234 ff., S24 ff.