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Schmidt, Richard
Fakire und Fakirtum im alten und modernen Indien: Yoga-Lehre und Yoga-Praxis nach den indischen Originalquellen — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.2370#0202
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— i6o —

bestand", die „Wurzelursache", das „Unentf artete" (ßrakrti,
mülaßrakrti, firadhäna, mülakärana, avyakta); mit einem Worte:
die Urmaterie. Unser System gelangt zu diesem Prinzip auf
Grund der Erwägung, daß alles Grobe aus etwas Feinerem ge-
bildet ist. So sind die fünf groben Elemente (Erde, Wasser,
Feuer, Luft und Äther) aus den sogenannten feinen Elementen
hervorgegangen, und diese wiederum, als begrenzte Dinge, aus
etwas anderem. Eingedenk nun der Lehre des Sämkhya, der-
zufolge die Objekte der Wahrnehmung und Empfindung
einerseits und die die Objekte wahrnehmenden resp. empfinden-
den Organe anderseits, d. h. die Sinne, einen gemeinsamen
Ursprung haben, finden wir diesen im ahamkära, d. h. in der
feinen Substanz desjenigen inneren Organes, dessen Funktion
darin besteht, die Dinge in Beziehung zu dem Ich (resp. der
Seele) zu setzen. Der ahamkära seinerseits, der ohne Bezug-
nahme auf bestimmte Objekte nicht funktionieren kann, ver-
langt ein höheres Prinzip, die buddhi, d. h. die Substanz des-
jenigen inneren Organes, welches die Funktion der Feststellung
und Unterscheidung besitzt. Aber auch die buddhi ist noch
begrenzt: der letzte Grund der Dinge muß unbegrenzt, ewig und
allgegenwärtig sein; und das ist eben die Urmaterie. Während
alle Produkte, alles „Entfaltete" veranlaßt, nicht ewig, nicht
allgegenwärtig, sich bewegend, in der Vielheit existierend, auf
etwas beruhend, sich auflösend, in Verbindung tretend und von
einem anderen abhängig ist, besitzt die Urmaterie nichts von
diesen Eigenschaften.

Trotzdem nun die Urmaterie etwas Einheitliches und Un-
teilbares ist, ist sie doch aus den allbekannten und berühmten
drei gttna's, Konstituenten, zusammengesetzt. Ihre Einheit-
lichkeit wird durch diese Vielheit so wenig gestört wie die des
Waldes durch die vielen darin wachsenden Bäume. Die Namen
dieser drei guna's, die die Entfaltung der Urmaterie und damit
die Mannigfaltigkeit des Universums erklären, sind sattva, rajas
und tamas, Kunstausdrücke, die sich nicht übersetzen, sondern
nur umschreiben lassen. Nach Kapila liegt die wichtigste Eigen-
schaft aller Dinge darin, daß sie entweder Freude, oder Schmerz
oder Gleichgültigkeit erwecken; Freude aber steht auf einer
Stufe mit Licht und Leichtigkeit — Schmerz mit Anregung und
 
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