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Schmidt, Hubert
Vorgeschichte Europas: Grundzüge der alteuropäischen Kulturentwicklung (Band 1): Stein- und Bronzezeit — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.68165#0073
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Vie Völker der Steinzeit 69
Vie Völker der Steinzeit. In der Vorgeschichtsforschung wird
die Frage lebhaft umstritten, in welchem Umfange man berech-
tigt sei, von Völkern der Steinzeit zu sprechen. Tatsächlich lassen
sich, wie wir gesehen haben, auf Grund von Verschiedenheiten ganz
allgemeiner, kultureller Art sowohl in den älteren, als in den
jüngeren Steinzeitperioden Kulturgruppen unterscheiden, die nach
ihrer Ausbreitung als geschlossene Gruppen von gleichartig ver-
anlagten Menschen erscheinen. Diese Verschiedenheiten erkennt
man in den Formen von Geräten und Waffen, von Körperschmuck
und anderem Zierat, in der Siedlungsweise und dem Hausbau
in der damit verbundenen Beschäftigung und Ernährungsweise, so-
weit die jüngere Steinzeit in Frage ist, auch in der Bestattungs-
art und dem Gräberbau, manchmal sogar in handwerklichen Ge-
bräuchen und Fertigkeiten. Wie schon darin zum Teil der Aus-
druck geistiger Ligenart liegt, so ist das noch mehr der Fall bei
der künstlerischen Betätigung der Alt- und Jungsteinzeitleute. Auf
diese Weise sehen wir im paläolithikum kulturell bestimmt aus-
geprägte, z. T. sogar rassenmäßig verschiedene Jägerhorden in
weit auseinander liegenden Teilen Mittel- und Südeuropas sich
verbreiten. Als besondere Menschengruppen müssen die Muschel-
haufenleute und die Fischer und Jäger des Nord- und Gstsee-
gebietes in der Mittelsteinzeit erscheinen. Ebenso völkischen Tha-
rakter haben die jungsteinzeitlichen Gefäßdekorationsstile in Ver-
bindung mit anderen Merkmalen handwerklicher Tätigkeit,' ihr
gegenseitiges Verhältnis läßt ein Nebeneinander bestimmter Völ-
kergruppen und ihre Verbreitung nach verschiedenen Richtungen
sogar ihre Wanderungen erkennen. Bei aller Erkenntnis bleibt
nur eine Frage unbeantwortet: welche Sprachen haben diese völ-
kisch charakterisierten Menschengruppen gesprochen? Man kann
deswegen sogar zweifeln, ob es berechtigt ist, sie als „Völker" zu
bezeichnen, da zum Begriffe eines Volkes der seiner Sprache ge-
hört, und sollte für die Steinzeit darauf verzichten, diesen kulturell
verschiedenen Menschengruppen bestimmte Namen zu geben. Vie
Probleme der vorgeschichtlichen Völkerkunde oder Ethnographie
sind im Rahmen der Steinzeit durch Analyse ihrer Kulturformen
nicht zu lösen,- sie bedürfen einer anderen Methode, um wenigstens
ihrer Lösung näher geführt zu werden, vgl. dazu den Anhang
in Band II.
 
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