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Schmökel, Hartmut
Der Gott Dagan: Ursprung, Verbreitung und Wesen seines Kultes — Borna-Leipzig: Universitätsverlag von Robert Noske, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.55701#0061
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Dagan und die babylonischen Fischmenschen,
Wir wenden uns nun der Betrachtung derjenigen Hypothese zu,
die Dagan als Fischgott ansprach und Beziehungen von ihm zu fisch-
gestaltigen Göttern des alten Orients herzustellen suchte.
Das, was mir als ausschlaggebend erscheint, sei gleich zu Anfang
betont: Alle echten Urkunden babylonischer wie palästinischer Her-
kunft wissen vom Fischcharakter Dagans schlechterdings nichts zu
berichten. Vielmehr beruht die Theorie auf rabbinischer Überlieferung
des Mittelalters1, deren historischer Wert natürlich außerordentlich
gering ist. Noch der im 3. Jahrhunder n. Chr. lebende Rabbi Levi
sagt übereinstimmend mit Josephus, Talmud und Targum, die nichts
über eine Fischgestalt Dagans wissen, der Gott sei von männlicher
Figur gewesen. Erst David Kimhi2 und Abarbanel behaupten, Dagon
sei halb Mensch und halb Fisch gewesen; in welcher Verteilung,
darüber sind auch sie sich nicht einig, indem der eine oben Manns-
und unten Fischgestalt, der andere das Gegenteil behauptet. Wie
kamen sie aber zu dieser Anschauung? Von entscheidender Be-
deutung wird hier das hebräische m „Fisch“ 3 gewesen sein. Die
Art, mit Etymologien umzuspringen, wie sie in jenen Zeiten üblich
war, konnte hiervon leicht den Gottesnamen samt den entsprechenden
Eigenschaften ableiten. Ferner finden sich aber tatsächlich auf Münzen
und Täfelchen palästinischer Küstenstädte, z. B. in Arados und As-
kalon4 5, aus der Zeit von c. 350 v. Chr. Abbildungen eines oben
menschen-, unten fischgestaltigen Gottes, bärtig und mit langem
Haupthaar, der in jeder Hand einen Fisch hält. Nur haben diese
Fundstücke nie eine Legende, die etwa den Namen Dagans aufwiese.
Daß es gerade in Seestädten derartige Gottheiten gab, ist nichts
Auffälliges, und wir kennen genug von ihnen, wie Derketo, Poseidon,
Neptun usw. Manche Sage knüpfte sich an sie. Eine solche hat
uns der babylonische Priester Berossos aufbewahrt0; es ist die von
1 Vgl. hierzu die Angaben Macalisters, The Philistines p. 100 f. und
Moores in Enc. Bibi. Artikel Dagon.
2 s 1235 n. Chr.!
3 Über das Fischsymbol in der Antike vgl. am besten F. J. Dölger,
IX6YC I Rom 1910, II Münster 1922.
4 cf. Lagrange, Etudes sur les religions Semitiques p. 131; Hoffmann
in ZA XI (96) p. 279 f.
5 Fragm. hist. Graec. ed. C. Müller II p. 496 f.

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