Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schöne, Wolfgang; Rubens, Peter Paul
Die Geissblattlaube: Doppelbildnis d. Künstlers mit Isabella Brant — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 11: Stuttgart: Reclam, 1956

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56148#0006
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rubens entschloß sich zum Bleiben. Vielleicht ist er nicht
nur auf Grund der geschilderten Bemühungen um seine
Person dazu gekommen, sondern auch aus einer neu auf-
brechenden instinktiven Einsicht in die Entfaltungsbe-
dingungen seiner Kunst. „Antwerpen mit seinen Bewoh-
nern würde mir genügen, wenn ich Rom Lebewohl sagen
könnte“, schrieb er am 10. April 1609, noch unentschlos-
sen, ob er nach Rom zurückkehren sollte, wozu man ihn
unter sehr günstigen Bedingungen eingeladen hatte. Seine
Kunst bedurfte nach all den Jahren in Italien und Spa-
nien offenbar des nordischen Klimas und des heimatlichen
Bodens, um ganz zu sich selbst zu kommen und zu der
großartigen Mittlerstellung zwischen Nord und Süd, Alt
und Neu aufzuwachsen, auf der ihre wahrhaft umfas-
sende geschichtliche Bedeutung beruht.
Nicht ohne Zusammenhang mit dem Entschluß, in
Antwerpen zu bleiben, stand wohl auch seine Heirat; an-
dererseits mutet sie wie seine Bestätigung an. Die Liebe
zu dem Mädchen, das seine Frau werden sollte, scheint
nicht langsam in seinem Herzen gewachsen, sondern rasch
über ihn gekommen zu sein. Der bereits angeführte Brief
vom 10. April 1609 berichtet höchst lebendig von der so-
eben erfolgten Hochzeit des Bruders Philipp Rubens
(1574—1611), der kurz zuvor Stadtsekretär und damit
einer der führenden Beamten Antwerpens geworden war,
mit der schönen Maria de Moy; Rubens fügt jedoch aus-
drücklich hinzu, er selbst werde sich nicht beeilen, es dem
Bruder nachzutun (Wortlaut S. 27 f.). Aber er wußte,
„daß solche Dinge nicht kalt, sondern mit Feuer behan-
delt sein wollen“, und ein gütiges Geschick strafte ihn
Lügen. Denn kaum ein halbes Jahr später, am 3. Oktober
1609, führte er die Nichte seiner jungen Schwägerin in
der Michaelskirche zum Altar: die achtzehnjährige Isa-
bella Brant (1591—1626), die älteste Tochter des an-
gesehenen Antwerpener Patriziers und Stadtsekretärs
Jan Brant und seiner Frau Klara de Moy. Und zugleich
oder kurz danach hat er sich und seine junge Frau in
einem lebensgroßen Bilde gemalt und damit auch künst-
lerisch der Wendung seines Lebens und Schaffens sein
Siegel aufgedrückt.

4
 
Annotationen