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Schreiber, Wilhelm Ludwig
Der Buchholzschnitt im 15. Jahrhundert in Original-Beispielen — München: Weiss, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.68344#0012
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Wenn wir ein illustriertes Buch der Frühzeit betrachten, so treten uns nur zwei an der Herstel-
lung desselben beteiligte Personen vor Augen, nämlich der Drucker und der Formschneider,
und wir vermuten, daß beide am Druckort ansässig waren.
In der Wirklichkeit ist aber die Sachlage keineswegs immer so einfach, sondern die Zahl der
Beteiligten war in vielen Fällen auf beiden Seiten eine größere. Schon Gutenberg mußte, um seine Erfindung
ausüben zu können, sich mit einem Geldmann in Verbindung setzen, der ihn dann ins Unglück stürzte. Auch
die große Mehrzahl seiner Jünger mußte mit fremdem Kapital arbeiten, und von denen, die der Buch-
illustration als Pioniere vorausgingen, mußten gar manche das Schicksal des Meisters teilen. Der Geld-
mann spielte eine weit größere Rolle als offensichtlich zutage tritt, und aus ihm ging dann frühzeitig
der Verleger hervor. Zuweilen wurden auch schon Verlagsgesellschaften gegründet, von denen man zwei
Arten unterschied. Die Societas vera (Kumpanie), bei der sich die Teilhaber dauernd zum gemeinsamen
Betrieb geschäftlicher Unternehmungen verbanden, und die einfache Societas (Gesellschap), welche zur
Ausbeutung eines einzelnen Unternehmens gebildet wurde. Bei der ersteren war die Voraussetzung, daß
die Sozietäre gleiche Mittel einschossen und dementsprechend Gewinn und Verlust gleichmäßig trugen;
bei der zweiten, die namentlich bei Lübecker Drucken in Betracht kommt, waren zumeist die Einlagen
der Beteiligten und demgemäß auch ihr Anteil an dem Ergebnis verschieden, ja, nicht selten schoß ein
Teilhaber (der Drucker) überhaupt keine Barmittel ein, sondern stellte dem Unternehmen nur seine
Tätigkeit zur Verfügung, wofür er mit einem gewissen Gewinnanteil, zuweilen in Form einer Anzahl von
Exemplaren, bedacht wurde. Es gab aber viele Leute, die ihr Geld nicht auf eine einzige Karte setzen
wollten, sondern vorzogen, sich an verschiedenen kleineren Unternehmungen zu beteiligen, damit bei et-
waigem unglücklichen Ausgang der Verlust nicht zu bedeutend wäre.
Vielfach war der Drucker aber nicht Gesellschafter, sondern der Verleger kaufte das Papier, beschaffte
das Illustrationsmaterial und entlohnte den Drucker für Satz und Druck, sodaß ihm natürlich auch der
aus dem Verkauf der Exemplare sich ergebende Gewinn gänzlich zufiel. Auf diese Weise arbeiteten die
sogenannten Wanderdrucker, die von einer Diözese in die andere zogen, um im Auftrag und auf Kosten
des betreffenden Bischofs die für seinen Sprengel benötigten liturgischen Werke herzustellen.
Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn so häufig dieselben Holzstöcke bald in Drucken dieser,
bald jener gleichzeitig tätigen Offizin erscheinen. Zuweilen haben sich die Drucker wohl gegenseitig unter-
stützt, zumeist war der Besitzer der Holzstöcke aber ein uns unbekannter Verleger, der jener Druckerei,
die ihm die günstigsten Bedingungen stellte, den Auftrag zu einer neuen Auflage erteilte.
Was die Formschneider betrifft, so waren sie fast ohne Ausnahme einfache Handwerker, die selbst nicht
zeichnen konnten, sondern nur imstande waren, ein ihnen übergebenes Bild mit mehr oder weniger Ge-
schick in Holz zu schneiden. Der Drucker oder Verleger mußte ihnen daher eine Bilderhandschrift oder
eine bereits erschienene Ausgabe mit in Holz geschnittenen Figuren verschaffen, oder von einem Zeichner
die Entwürfe für die benötigten Bilder anfertigen lassen, nach denen dann der Formschneider den ihm
erteilten Auftrag ausführte. Der Holzschneider ist also fast stets nur Kopist, der eine fremde Vorlage uns
als Illustration vor Augen führt. Er war wohl mit Hilfe von Pauspapier imstande, das Vorbild auf den

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