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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0014
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jener grossen Völkerfamilie wieder zusammen, die schon lange
mit nicht unpassendem Namen als die indo-germanische be-
zeichnet wird.

Während der eine germanische Stamm, die Engländer,
mit Waffengewalt und Staatsklugheit sich das reiche Indien
Gebiet um Gebiet eroberten, war der andre, waren die Deutschen
friedlichere und selbstlosere Ostindienfahrer; und wenn wir
auch den Engländern die erste Einführung in die Sanskrit-
Literatur und manch werthvolle weitere Forschung und Mit-
theilung verdanken, — insbesondere auf archäologischem Ge-
biete. auf welchem sich Männer wie James Prinsep, Cunning-
bam, Edw. Thomas, Fergusson, Burgess, Burnell u. a. auszeich-
neten, — so fiel doch den Deutschen der Löwenantheil zu, so-
wohl in der Erforschung der Literatur Indiens, als auch bei
der Verwerthung der dort gehobenen geistigen Schätze.1

Die Deutschen haben von allen Gliedern der indogerma-
nischen Völkerfamilie die meiste Aelnilichkeit mit den Indem,
ja zwischen Deutschen und Indern besteht eine eigenthümliche
Wahlverwandtschaft, wie der geistreiche dänische Literarhisto-
riker Brandes hübsch ausgeführt hat.2 Auf den deutschen
Geist übt das Wort „Indien" schon seit langer Zeit einen ganz

1 H. Heine sagte vor Jahren in seinem „Buch der Lieder" in
einer Anmerkung zu den an A.W. Schlegel gerichteten Sonetten: „Por-
tugiesen, Holländer und Engländer haben lange Zeit Jahr aus Jahr ein
auf ihren grossen Schiifen die Schätze Indiens nach Hause geschleppt;
wir Deutsche hatten immer das Zusehen. Aber die geistigen Schätze
Indiens sollen uns nicht entgehen. Schlegel, Bopp, Humboldt,
Frank u. s. w. sind unsre jetzigen Ostindienfahrer; Bonn und Mün-
chen Averden gute Faktoreien sein". — Der Dichter hat sich hier als
ein guter Prophet bewährt.

2 G. Brandes, Die Hauptströmungen der Literatur des
neunzehnten Jahrhunderts, (übers, v. A. Strodtmaun), Bd. I (Berlin 1872),
p. 270 flg. Er beginnt den Abschnitt ,.Deutschland und Hindustan" p. 270
mit den Worten: „Es war kein Wunder, dass ein Augenblick in der
Geschichte Deutschlands erschien, wo man mit Leib und Seele begaun,
den Geist und die Cultur des alten Indiens in sich aufzunehmen und
sich zu eigen zu machen. Denn dies grosse, dunkle, traumreiche und
gedankenvolle Deutschland ist in Wirklichkeit ein modernes Indien. —
Nirgends hat in der Weltgeschichte die beschauliche Betrachtung, die
eigentliche, von aller empirischen Forschung sich losreissende Metaphysik,
eine so hohe und so allseitige Entwicklung erreicht, wie in dem alten
Indien und dem modernen Deutschland. — Indien zieht die deutschen
Dichter wie mit einem geheimen Zauber an. — — Die Analogieen
zwischen Indien und Deutschland sind zahlreich und drängen sich Einem
von selber auf". — Es folgt dann eine feinsinnige sehr lesenswerthe
Durchführung dieser Parallele.
 
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