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Schudt, Ludwig
Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 15: Wien, München: Schroll, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.48523#0022
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Einleitung

oft überraschend sachlichen und vernünftigen Urteile über die Bewohner des Landes und bedauerte, daß
von ihren häufig geschilderten Festen und Spielen, vor allem dem berühmten Karneval, sich so gut wie
nichts erhalten hat. Alles dies bedeutete ihm eine wesentliche Bereicherung des eigenen Italienbildes, und
er vermochte allmählich einzusehen, daß gegenüber diesen Dingen die Betrachtung der Kunstwerke in
der Frühzeit in den Hintergrund trat und daß man die Antike immer so sehr als Höhepunkt und Maß-
stab alles künstlerischen Schaffens ansah, daß man für die vom Mittelalter bis zur Gegenwart entstan-
denen Monumente nur wenig Interesse aufbrachte.
Schwerer war es, sich mit der Art der Darstellung abzufinden. Das von vorneherein feststehende Urteil,
das jedes Denkmal automatisch in bestimmte ästhetische Kategorien einordnete und damit dem künst-
lerischen Schaffen ganzer Jahrhunderte, vor allem dem gesamten Mittelalter, jedes Verständnis versagte,
der Mangel jeden Einfühlungsvermögens wirkt erkältend auf den heutigen Leser dieser vergilbten klein-
formatigen Bände und erschwert ihre Lektüre außerordentlich, so sehr, daß diese ganze Periode der
Italienfahrten nahezu in Vergessenheit geraten konnte. Erst Winckelmann lehrte das Kunstwerk als ein
Produkt seiner Zeit zu sehen und scheute sich nicht, die Empfindungen, die es in ihm hervorrief, wieder-
zugeben, also sein persönliches Erlebnis darzustellen. Diese Betrachtungsweise steht unserm heutigen
Empfinden näher und wirkt daher unmittelbar auf uns, was ohne weiteres erklärt, daß die Reiseberichte
nach Winckelmann häufig behandelt wurden und die ansprechendsten Stellen daraus den unverwüst-
lichen Bestandteil der landläufigen Anthologien ausmachen.
Bei aller Einseitigkeit hat aber dies System der Kunstbetrachtung, das zwei Jahrhunderte hindurch das
Denken der gebildeten Kreise beherrschte, in seiner Geschlossenheit etwas Imponierendes, so wenig es
auch unserem heutigen Denken entsprechen mag, und hat trotz Winckelmann, Dupaty und Goethe lange
nachgewirkt ■— bis weit ins 19. Jahrhundert. Aus diesem Grunde schien es der Mühe wert, das Italien-
bild, das den Aufzeichnungen dieser Epoche zugrunde liegt, eingehend zu betrachten und zu rekon-
struieren.
Die Einteilung unseres Buches ergab sich im Verlauf der Arbeit von selbst. Es schien geboten, zunächst
in einem historischen Teil einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Reiseliteratur zu
geben. Dabei war eine Trennung zu machen zwischen den als Reiseführer, geographischen Publikationen
und Inschriftensammlungen gedachten Veröffentlichungen, die dem Publikum zur Vorbereitung auf die
Reise dienten, und den eigentlichen die Erlebnisse der einzelnen wiedergebenden individuell gefärbten
Reiseberichten. Die genaue Zitierung der einzelnen Werke findet sich in der Bibliographie auf S. 400 ff.
Im zweiten Teil unserer Darstellung, die die Reiseeindrücke, „In itineribus observanda“, wie sich Schott
in der Überschrift seiner Tabelle ausdrückte, zum Gegenstand hat, schien es das richtige, die einzelnen
Punkte ungefähr in der Reihenfolge zu behandeln, wie es durch unsere Autoren erfolgte. Zunächst war
also die in der Literatur viel erörterte Frage über Sinn und Zweck des Reisens zu behandeln, sodann
schien es geboten, die wichtigsten Reisewege festzustellen und einiges über Verkehrs-, Unterkunfts- und
Geldverhältnisse mitzuteilen, sowie den Quellen, aus denen die Besucher des Landes ihre Informationen
zu schöpfen pflegten, nachzugehen. Das Land Italien, seine Geographie und Geschichte, die Verfassung
seiner Staaten und die Deutung der Landschaft nahmen die Interessen der Besucher zuerst in Anspruch;
daran schlossen sich Beobachtungen über das Volk, seinen Charakter, sein Leben und Treiben, seine Feste
und Spiele, den Karneval und das von ihm nicht zu trennende Theater. Den Beschluß bilden die Kunst-
denkmäler des Landes, die anfänglich wenig Beachtung fanden, bis sie im 18. Jahrhundert zu einem der
wichtigsten Beweggründe für die Reise wurden.

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