Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schug, Bert [Oth.]; Courbet, Gustave [Ill.]
Gustave Courbet - Das Atelier — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 73: Stuttgart: Reclam, 1962

DOI chapter:
Das Werk
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62830#0015
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Charakter. Alle diese Figuren sind weniger durch ihre
Erscheinung als vielmehr durch ihr Dasein im Bilde von
einem grundsätzlich anderen Realitätscharakter als die
Atelierbesucher, mit denen der Betrachter in das Bild
eingeführt wurde, und auch als der Maler und das Mo-
dell. Sie sind nicht eigentlich in dem Atelier versammelt,
und sie sind auch niemals in dem Atelier Courbets ge-
wesen. Sie sind Menschen, denen Courbet begegnet ist.
Welcher Art diese Begegnung gewesen ist, erfahren wir
aus dem Ort, an dem diese Menschen im Bild erscheinen.
Diese Begegnung vollzog sich nicht an dem ausgeführten
oder entstehenden Kunstwerk und war von Seiten der
hier Dargestellten nicht aktiv auf das Kunstwerk aus-
gerichtet.
Sie alle sind ganz in ihr Tun versunken, und dieses
Tun vollzieht sich gleichsam unbewußt und ohne Bezug-
nahme auf den Künstler. Diese Versunkenheit ist ihnen
allen gemeinsam und nur gradmäßig unterschieden. Sie
spricht sich am sinnfälligsten in der Blicklosigkeit der
Gestalten aus. Diese gehören außerdem einem bestimm-
ten Ausschnitt der sozialen Skala an, der vom Arbeiter
bis zum begüterten Mittelstand reicht. Damit bilden sie
in gewissem Sinne einen Gegensatz zu den Atelierbe-
suchern der rechten Bildseite. Das berechtigt aber keines-
wegs dazu, die ganze Zweiteilung auf ein soziales Pro-
gramm zurückzuführen. Dagegen spricht vor allem die
Tatsache, daß auf der rechten Bildseite die Freunde
Courbets dargestellt sind, die alle mehr oder weniger
den sozialistischen Ideen anhingen und demzufolge eine
solche Gegenüberstellung rein sozialer Natur sinnlos er-
scheinen lassen. Das einzige Kriterium, das uns das Ge-
mälde für die Unterscheidung der beiden Gruppen an
die Hand gibt, ist nun einmal das Verhältnis zu dem Bild
auf der Staffelei. Es handelt sich also nicht um eine
Trennung nach Stellung, Stand oder augenblicklichem
Tun, sondern um zwei Gruppen von Seinsweisen, die sich
an dem Kunstwerk scheiden, über diese Trennung hinaus
aber gewisse Gemeinsamkeiten allgemeinerer Natur
aufweisen. Eben deshalb können sie aber auch in sich
wiederum vielgestaltig und unterschieden sein.

13
 
Annotationen