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Courbet, Gustave [Ill.]; Schug, Bert [Oth.]
Gustave Courbet - Das Atelier — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 73: Stuttgart: Reclam, 1962

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Ideal und Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.62830#0047
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IDEAL UND WIRKLICHKEIT
Über die Aufgabenstellung der französischen Kunst in
der Mitte des 19. Jahrhunderts
Ich wollte, daß meine Stimme gehört werden möchte,
und daß die Maler und die Bildhauer die Nichtigkeit
des Realismus einsähen. Ich wollte, daß meine Mei-
nung ... alle die Geister, die sich starrköpfig auf die
prosaische Nachahmung der Natur verlegen, wieder zum
Ideal bekehren könne. Das einzige, was ich von meinem
Land fordere, ist eine ernsthafte Rückkehr zum Ideal . . .
G. Planche, Salon de 1852
. . . Ich habe gehört, wie Courbet seine Bilder als Alle-
gorie reelle bezeichnet hat. Was soll das: Er nennt sich
Realist und gibt sich mit Allegorien ab!?... Er will Re-
alist sein und über die Allegorie zum Ideal gelangen!?
Die Wahrheit aber ist, daß Courbet in seinem Realis-
mus einer der größten Schöpfer von Idealen ist, die wir
je gehabt haben, und daß er zudem ein Maler von großer
Vorstellungs- und Erfindungskraft ist... Courbet hat
sich gesagt: Der Körper ist eine Aussage. Demzufolge ist
die Malerei, die diesen darstellt und mitteilt, eine
Sprache ... Ich werde den Menschen aller Äußerlichkei-
ten entkleiden, dann werden wir sehen! . . . Auch in den
„Badenden“ ist die Darstellung idealer weiblicher Schön-
heit mit einbegriffen, aber sie ist nicht das eigentliche
Anliegen des Künstlers. Hier wollte er die Seele des
Bürgertums aufzeigen. Um seine Idee besser verständlich
zu machen, hat er eine wenigstens in dieser Hinsicht
ideale Gestalt erfunden. Dieses Ideal aber ist durchschla-
gend; es setzt in Erstaunen und bestürzt. Hier können
wir sehen, wie Courbet die beiden Elemente des Idealen
und des Wirklichen, der Vorstellung und der Beobach-
tung, miteinander zu verbinden weiß. Wenn ich Minister,
Gesandter oder gar Kaiser wäre, würde ich mich wohl
hüten, mich von ihm porträtieren zu lassen.
P. J. Proudhon, Du principe de l’art et de sa destination
sociale. Paris 1865

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