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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0019
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Die Anfügung der Nachträge wird in den Jahren 1315 bis
1330 erfolgt sein1). Nun aber ist zu beachten, dass zahl-
reiche Bilder des älteren Teiles nicht selbständige Erfindungen
sind, sonder Nachahmungen gleichzeitiger oder älterer Minia-
turen. Auffallend besonders ist die Uebereinstimmung der-
selben mit den entsprechenden der Stuttgarter Liederhand-
schrift und zweier in der Berliner Bibliothek befindlichen
Handschriftenfragmente: nämlich des Nagler'schen und des
Trost'schen Bruchstücks2). So ist denn die Annahme einer
allen diesen Bildercyclen zu Grunde liegenden, gemeinsamen
Vorlage unabweisbar, und notwendig kommen wir zu dem
Schlüsse, dass die Bilder des Grundstocks unserer Sammlung,
was ihre Herkunft anbelangt, bis weit in die zweite Hälfte
des XIII. Jahrhunderts zurückreichen. Und diese Zeit, sie
gilt als die Zeit der beginnenden Rohheit, als die Zeit des
der Neige zueilenden Rittertums, dessen Blüte mit der 2.
Hälfte des 13. Jahrhunderts dahin zu welken begann. "Wir
sind also mit den Bildern unserer Handschrift nicht weit von
der Glanzepoche des Rittertums entfernt und dürfen sie dem-
nach, wenn auch nicht geradezu als eine Copie der klassischen
Form des Rittertums, so doch sicherlich als einen Nachklang
eben dahingesunkener, eben zu Grabe getragener Aechtheit
betrachten. Und endlich ist auch noch in Erwägung zu
ziehen, wie sehr rittermässige Ideen und Vorstellungen auch
dann noch, als ihr Gehalt sich sehr zu trüben anfing, also
weit über die Mitte des 13. Jahrhunderts hinaus, den Kern
unserer poetischen Nationallitteratur gebildet, mithin die ganze
Denkweise der gebildeten Schichten, wenn auch nicht be-
herrscht, so doch sicherlich beeinflusst haben3). Und so
muss der Wert dieser Darstellungen für die Kulturgeschichte

1) Vgl. K. Zangemeister, Zur Gesch. der grossen Heidelberger,
sog. Manessischen Liederhs., in der Westdeutschen Zs. für Gesch. u.
Kunst, Jahrgang VII, p. 328; und Oechelhaeuser p. 350.

2) Vgl. Rahn, a.a.O. und Studien über die Pariser Liederhand-
schrift in seinen Kunst- und Wanderstudien aus der Schweiz, Wien
1883, p. 88.

3) Vgl. Roth von Schreckenstein, die Ritterwürde und
der Ritterstand, Freiburg i. B. 1886, p. 636.

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