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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0110
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110

9. Der Dichter mit der Geliebten im Gespräch
stehend erscheinend.

Bevor wir dem Scbluss zueilen, wollen wir es nicht
unterlassen, noch auf eine bestimmte Art der Darstellung
des Gesprächs hinzuweisen, wie sie uns auf einer nicht
unbeträchtlichen Anzahl von Bildern der Heidelberger und
der Stuttgarter Liederhandschrift entgegentritt. Es wird hier
wohl nötig sein, eine Beeinflussung allgemeinerer Art der
Maler durch die bei den Minnesingern so häufig wieder-
kehrende Form des Wechsels anzunehmen; denn sämtliche
hierhergehörige Darstellungen sind direkt auf Grund des ihnen
nachfolgenden Textes entstanden. Wir sehen an dieser Stelle
jedoch von dem Bilde des Hiltbolt von Swanegou auf S. 128
der Stuttgarter Handschrift ab, da dort das auf den übrigen
Bildern zu Tage tretende Schema bereits insofern durchbrochen
ist, als hier die Liebenden durch einen grossen Schriftzettel
von einander getrennt erscheinen. Die übrigen hierher ge-
hörigen Darstellungen zeigen alle eine auffallende Aohnlich-
keit miteinander, welche sich nicht nur in der äusseren Art
der Anordnung, sondern auch in der Behandlung der Fi-
guren selbst äussert. Wir sehen die Liebenden einander zu-
gewandt sich gegenüber stehend; der Dichter nimmt die
linke, die Geliebte desselben die rechte Bildhälfte ein; die
Haltung beider ist die bekannte, in der Gotik beliebte und
übliche Spielbeinpose. Auch die Haltung der Armo ist eine
durchaus gleichmässigc. Die Symmetrie der Figuren und
die Gleichartigkeit ihrer Anordnung lässt die ganze Scene
steif und nüchtern erscheinen, und bei der Mohrzahl von Bil-
dern ist der Eindruck des Feierlichen nicht wegzuläugnen.

Fassen wir zunächst das unter dem Namen „Der von
Kiurenberg" erhaltene Bild der Heidelberger Handschrift
(Xr. 26) ins Auge, so ergibt sich der diesom nachfolgende
Text als aus männlichen und weiblichen Strophen, welche
aber wohl nicht von einem einzigen Dichter herrühren, son-
dern eine Sammlung von Liedern verschiedener Verfasser
repräsentieren') zusammengesetzt zu erkennen; und zwar

1) Diese Ausicht sprach Herr Prof. M. Heync iu seiner Vorlesung:
 
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