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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0111
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111

spricht Strophe 2 der Ritter, 3—4 die Frau, 5i—2 der Ritter,
5.1—4 bis incl. 10 die Frau, 11, 13—15 der Ritter. Die erste
Strophe ist ein ßotenlied aus dem Munde einer Frau, die 12.
ein Botenlied aus dem, Munde eines Ritters. Es ist wohl
nicht unberechtigt, wenn wir die vorliegende Darstellung als
eine Versinnbildlichung des in den Liedern zu Tage tretenden
Gesprächs auffassen. Etwas gezierter und lebhafter ist die
Haltung des Liebespaares auf dem Bilde II e i nri ch's von
StrcHingen, dem 30. unserer Sammlung'). Der Sänger
erscheint dort in einer eigentümlichen Beinstcllung, mit er-
hobenen Hacken und unter starker Verdrehung des vorge-
setzten rechten Fasses, einer Pose, wie wir sie genau so auf
dem entsprechenden kleineren Bild des Nag 1 e r'sehen Bruch-
stücks wieder antreffen -). Der manirierten Beinstellung ent-
spricht eine schraubenförmige Verdrehung des Oberkörpers.
Die Linke ist in Schulterhöhc erhoben und in gleicher Weise
die Rechte der Dame; bei beiden erscheint der Mittelfinger
auf den Daumen gepresst, ein Motiv, wodurch der Maler
wohl die besondere Lebhaftigkeit der Unterhaltung hat zum
Ausdruck bringen wollen. Die Linke der Dame ist ausge-
breitet vorgestreckt, wie sich weigernd und abweisend; der
gleichfalls erhobene Arm des Sängers ist scharf geknickt, indem
die Linke sich unter der Achselhöhle anlegt. Das Ganze be-
zieht sich, wie schon von der Hagen, Minnesinger IV,
S. 117 b, angenommen hat, auf Lied II Strophe 2. Wir er-
fahren aus dieser Stelle, dass der Dichter der Geliebten, die
ihn nach Strophe 1 ,,«»e schulde serc üf den löt verhouuen"
hat, deren spiegelglänzenden Augen ihn nach Strophe 4 ,,//er-
eccltcli* verwundet haben — dass er dieser „mit rede" sein
schmerzliches Leid habe klagen wollen; sie aber that, als
wäre er ein Heide, d.h. als verstände sie seine Rede, als
kennte sie ihn nicht; mit anderen Worten, sie wies ihn, wie

„die Aiifiingo des deutschen Minnesangs mit Interpretation ausgewählter
Stücke nach 'des Minnesangs Frühling' von Lachmaun u. Haupt" aus.

1) Vgl. Occhelhaeuser, a.a.O. S. 1GO—1G2.

2) Eine Wiedergabe desselben gibt Occhelhaeuser, a. a. 0,
Tafel XV.
 
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