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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0043
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Vorrede.

XXXIX

Folge der von der physiologischen Betrachtungs-Weise dargebotenen Gesetze auf meine
Uebersicht des abgehandelten Stoffes verweise, beschränke ich mich darauf, nur noch eini-
ges über den Werth der Koptischen Sprache im Allgemeinen mitzutheilen.

Der in weitem Umfange von mir angestellte Vergleich der Koptischen Sprachbildung
mit sich selbst hat die Sprache auf das Rühmlichste die Probe bestehen lassen. Das Kop-
tische zeigt sich uns als ein selbständiger Sprachstamm neben dem Semitischen und Indo-
Germanischen. Die Berührungs-Puncte mit diesen beiden Sprachstämmen sind zu zahlreich,
zu innig, als dass sie lediglich der allen Sprachen zum Grunde liegenden Einheit der lo-
gischen Gesetze zugeschrieben werden können. Sie weisen vielmehr auf einen in der Ur-
zeit der Sprache Statt gehabten genetischen Zusammenhang hin, der leicht begreiflich das
Koptische näher an das Semitische als an das Indo-Germanische anschliesst. Das aus
dieser Urzeit empfangene Erbtheil ist aber von der Koptischen Sprache unabhängig wieder
verarbeitet worden. Hinsichtlich der innern Anlage und Ausbildung ist diese Sprache für
die Physiologie der Sprache überhaupt von ausserordentlichem Werthe. Das die gesammte
Koptische Sprachbildung beherrschende Princip war die begriffliche Notwendigkeit (vgl.
p. 2021.). Daher überall ein streng abgemessenes, nur auf die Darstellung der erforderli-
chen Begriffs-3Ierkmale abzweckendes Verfahren, eine grosse Einfachheit in der Anlage
und Beschaffung der Mittel und doch wieder ein erfinderisches Verwenden dieser Mittel,
um haushälterisch mit wenigem viel auszurichten. Je strenger dieses Princip waltete, um
desto mehr musste es den Einfluss eines andern, wie z. B. des harmonischen Wohllautes
verpönen. In der That die Koptische Sprache ist der treueste Abdruck jenes methodischen,
prosaischen, einförmigen und in seiner Einförmigkeit doch wieder reichen Geistes, der alle,
uns von den alten Aegyptern überlieferten Züge charakterisirl. Diese Anlage gestattet dem
Sprachforscher mehr als die irgend einer andern mir bekannten Sprache, die Affixe von
den Stämmen abzusondern und die Wort-Bildungen in ihre Begriffs-Bestandteile zu zer-
legen, so dass man dem Sprach-Geist in der Entwickelung seiner Formen gewisser 31aa-
ssen Schritt vor Schritt nachzugehen vermag. Dadurch aber giebt das Koptische uns oft
Gelegenheit, das entsprechende, aber ungleich mehr verhüllte Wirken anderer Sprach-
stämme zu enthüllen. So ist es z. B. das Koptische, welches den Begriff des kyriologi-
schen Plurals vermöge der durch den Indefinital-Stamm AN, N (en) bewirkten Addition am
Deutlichsten erkennen lässt und durch das iu seiner Conjugation enthaltene Moment des
Sein's über die Verbal-Abwandelung überhaupt einen so schönen Aufschluss giebt. Daher
hat öfters in meinem Buche die Semitische und Indo - Germanische Bildung« - Weise durch
das Koptische erst ihr volles Licht erhalten '). Diese Beschaffenheit der Sprache trägt

1) La Croze Thesaur. Epp. III. p, 88. Sunt plane multa recomlüa in illius linguae (sc. Copticae)
cognitione, litteris et antiquitatibus illustrandis apta ac accommodata, quod etiam uno et altero exemplo pater
 
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