Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0534
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
480

System der Hieroglyphik

nämlich, es hätten sich wirklich die helleren Laute zuerst in der Sprache entwickelt, so fragt sich
ja, oh der Gang der Sprachentwickelung für unsern Fall auch zugleich der Gang der Schriftentwi-
ckelung gewesen sei, oder ob diese nicht in völlig entgegen gesetzter Richtung zuerst nicht dieje-
nigen Vocale fest hielt, welche fast in der Begleitung jedes Consonanten ohne Zuthun der Schrift
von selbst zum Vorschein kamen, sondern diejenigen, welche trotz ihrer spätem Ausprägung oder viel-
mehr gerade wegen ihres am Auffallendsten und Bemerkbarsten in der Aussprache hervor tretenden Cha-
rakters und wegen ihrer seitnern Anwendungzum Unterschiede von jenen allgemein vorwaltenden Primär-
lauten am mehrsten eines besondern Schriftzeichens bedurften? Suchen.wir uns hierüber Aufklä-
rung zu verschaffen, indem wir den Bildungsgang der vornehmsten anderen alten Schriftstämme in
dieser Beziehung näher in das Auge fassen.

Halten wir uns zuvörderst an das Semitische. — Die Tyrisch-Sidonische Münzschrift gab
noch gar keine Vocalbuchstaben J). Aeusserst selten erscheinen dergleichen auf den Phönikischen
Steinschriften , so, wie auf den Punisch-Numidischen Stein- und Münzschriften 8). Diese Vocal-

1) Eben so wenig auf den Münzen von Gades TPJtoPjj "l"U!~i (Eckum, Doct. Num. Vet. III. p. 408.), Marathus
J7J7V7IP (Kckhel l. I. p. 404.), Cossura QjYii'p (EcKiiEr, 1, l. p, 417.).

2) Für den Vocalbuchstaben 1 finde ich in den genannten Inschriften folgende Beispiele: i\\Tu,^iW (lnser. Cit.ll.J.
TIN1 (lnser. Meld. I.), jn^D (lnser. Ct/pr. 1 V.J, ijn^Ti (luxer. Athen. 1J, lpüT3 D7JJ3 SHIM mit der Griechischen
Beischrift Eq^nj ByZarzia, Ereue civis Byzantii (bei Anger lieber e. in Athen gefundene phöjlikische Inschr. in Iahn u.
Nkkhodk neuen Jahrb. für PhUot. 3. äüppl. lid. p. 816. vgl. Gksenius in Ällgeni. Litzeit. hin. 1830. Ao. 97. p. 167.),
b$Bt&B (hi.scr. Numlil. Tugff. (beiGksenius Paliiogr. Stud. p. 76. erklärt p. 8d.=^S^JJÜ Iiis. Carth. III.), 1~\2 (lnser. Charth.
V. bei Gesknius l. I. p, 70. =!-]fcO Hos. 1, 1.) SSSÖ (Juan: Cgpr. XXIII. nach Gksenius s. Allgem. Litterzt. Aug.
1835. Xo. 13-5. p. 451., wo Kopp d. Hamakkii sahen.) ip^^ (Münze vielleicht von Baya, Vacca bei Gesenius l. I,
p. 103. =MBAKl), n^"3 (Münze ungewisser Herkunft bei Gesemus l. I. p. 105 =rPJP)j v6t£>, >pK, "QK^j ypVQ
(lnser. Vmi. biling. bei Gesemus in AI (gern. Litzeit. Inn. 1836. Ab. 100. p. 183.). — Für das Vorkommen des Vocal-
buchstaben 1 kenne ich gar nur drei Fälle, von denen die beiden erslen noch dazu ganz unsicher sind, nämlich
(lnser. Ctfpit, XVIII.}, HD (lnser. Melit. IIJ, lnser. l'un. no. 3. bei Falbe nach Gksenius Allgem. Litzt.
1835. Ao. 137. p. 467.; Eixdiieiig las D21i"V). So sehr ich mich auch bescheide, auf diesem mir ferner liegenden Felde
alles hierher Gehörende zu kennen, so möchte doch das Vorgelegte einen ungefähren Maassstab für das Vorkommen der
Vocalbuchstaben in den älteren Inschriften abgeben. Für den geringen Umfang spricht es um so mehr, weil vielleicht
noch manche der hier aufgenommenen Slellen durch eine richtigere Lesung oder Erklärung in der Folge wegfallen dürfte.
— Wenn min Hüpfemj (im Hermes l. I. p. 19. fgg.) gegen Gksenius ii. Ewald das ursprüngliche Vorhandensein der Vo-
callmehstaben 1 und 1 als solcher behauptet, so wird gewiss Niemand das Geistreiche und Scharfsinnige seiner Bemerkun-
gen verkennen. Allein mir kommen hierbei immer die einst von Silv. de Sagt gesprochenen Worte ins Gedächtniss,
dass er nur so lange an die rein alphabetische Xiitur des Demotischeu glaube, als er die Inschrift von Koselta nicht vor
Augen habe. Erwägt man nämlich, wie überaus selten in den vorliegenden älteren Semitischen Inschriften die Vocalbuch-
staben "i und 1 erscheinen und wie häufig sie da, wo man sie nach der Orthographie der späteren Inschriften und Codices
erwartet, nicht stehen; bedenkt man, dass alle diese älteren Inschriften im Verhältnisse zu der nicht zu bezweifelnden
viel altern Ausbildung der Semitischen Literatur sehr späten Ursprunges sind (man erinnere sich nur der lnser. Melit.
biling.. in welcher die für eine jüngere Orthographie gewiss sehr anstössigen Sachen stehen jihft'?, LfN, j2 jW ™A wel-
che doch schon, nicht etwa bloss die Ionischen Buchstaben und Zaqmnimv, sondern die Form Y enthält), so kann man sich der
Ansicht nicht erwehren, dajss eine ü»cr diese Inschriften weit hiuaus liegende Zeit die wenigen Spuren von Vocalbuchsta-
ben noch nicht gehabt und demnach von den. Vocalbuchstaben noch gar keinen Gebrauch gemacht habe. Was soll man
aber von ursprünglichen Vocalbuchstaben hatten, welche man als Mahre capita mortua gewissermaassen ein Todtes Lie-
gende nennen müsste? IJierzu kommt, das" dßr vou (*• '• I'. p. 117.) u. Hupfeld II. I- P- 29.) so sehr hervorge-
hobene Punct, dass aus verwandten V.ocalen }Vftlil verwandte Consonanten, nicht aber Vocale aus Consonanten entständen,
in der Thal auch herum gedreht werden kann. Denn wenn Kopp sagt, dass aus Ma-ri-ane bei schneller Aussprache
Mur-jane werde, so behaupte ich, dass bei demselben Verfahren auch aus Mar-jane Ma-riane wird. So spreche man
nur flüchtig »jjl Jarnqj ans, nud man wird bestimmt hinter jr ein I lauten hören, welches am Ende das J verschlingt-
 
Annotationen