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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0846
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System der Hieroglyphik

Hörenden, Begriffe, deren Inhalt durch eine kürzere Wortform oder durch einen Theil einer Wort-
Verbindung schon hinlänglich bezeichnet ist, ohne besondere Gründe durch längere Formen verneh-
men zu müssen. Daher wird jeder gebildete Deutsche mit innerem Widerwillen Ausdrücke wie Weibs-
person, Weibsbild, Frauenzimmer vernehmen, da seiner Auffassung durch die Wörter Weib und Frau
schon vollkommen G enüge geleistet wird. Daher hat man auch die ehedem allgemein gebräuchliche weibl.
Endung in wie z. B. die Kraftin, die Kabischin, die Bärmannin, etc. jetzt fast ganz abkommen lassen,
da die Verbindung des weiblichen Artikels mit der nackten Wortform (Masculinarforin) das Suffix über-
flüssig macht. Bei den Benennungen belebter Dinge hat indess das Neuhd. das weibl. Suff, in nur
erst an den Eigennamen unterdrückt, für die übrigen aber grossentheils beibehalten Qdie Löwin, die
Schneiderin, etc.). Doch kommt vielleicht die Zeit, wo man es auch hier abwirft, wie denn in der
That das Neuhochdeut, dieses in häufigst abgeworfen hat, wo sich das Althochd. noch dessen be-
dient (vgl. z. B. henin, hanin — Henne, zikin = Ziege, burdin — Bürde, unreinin = Unreinheit,
rumin — Geräumigkeit, sIrengin == Strenge (robur). Wenn nun die älteste Zeit zur Bildung eines
Wortes als Versinnlichung des Begriffes eine Anzahl Laute oder auch selbständige Worte als Re-
präsentanten der Begriffs-Merkmale zusammen gefügt und, falls das Wort ein persönliches sein
sollte, regelmässig ein Pronoin. der 3t. Person beigegeben hatte und gewiss mit Strenge über den
genauen Ausdruck einer solchen Wortverbindung hielt, so konnte die spätere Zeit, welche von
der etymologischen Gliederung der ursprünglichen Wortbildung absah und, unbekümmert um den
genetischen Zusammenhang, den Ausdruck nur in seiner Ganzheit als Symbol des zu nennenden
Dinges gebrauchte, sich des Gefühles nicht erwehren, dass ein solches Lautgebilde für die Angabe
des Gegenstandes mehr als zureichend sei und liess demnach entweder einen Theil des Stammes,
oder doch wenigstens das Persönlichkeits-Zeichen mehr oder weniger fallen, da bei der hinlänglichen
Kenntniss des dem Wortstamme zum Grunde gelegten Begriffes die mit der Nennung desselben un-
mittelbar vor die Seele gebrachte Anschauung eine ausdrückliche Legitimation von dessen Persön-
lichkeit ganz überflüssig zu machen schien. Dieses in der Natur des menschlichen Geistes beru-
hende Verhältniss musste allen Sprachen, mochten sie mit einander verwandt sein oder nicht, eine
analoge Behandlungsweise bei der Wort-Verkürzung widerfahren lassen. Nichts desto weniger
erscheinen aber auch selbst verwandte Sprachen bei diesem Abkürzungs-Gange sehr ungleich, weil
uns dieselben öfters in sehr verschiedenen Stadien dieses Abkürzungs-Processes vorliegen,, so dass
die eine derselben das noch fest hält, was die andere schon regelmässig aufgegeben hat. Dazu
kommt, dass wir bei der ungeheuren Masse von Wort-Trümmern (denn als solche sind vielleicht
alle auch aus den ältesten Sprachen uns überlieferte Wort-Gebilde anzusehen), an welchen
nicht Iahrhunderte, sondern Iahrtausende ihre verschiedenartige Wirksamkeit äusserten, so
wohl die Periode der reinen Form - Verkürzung als auch noch die entgegengesetzte Periode
der unreinen (nicht primären) Wort - Vermehrung wahrnehmen. Nachdem sich nämlich die Be-
deutung der ursprünglichen Wort-Affixe (Präfixe, Infixe, Suffixe) in dem Bewusstsein der
Sprache verlor, das Bedürfniss aber für den von jenen Affixen dargestellten Begriffs-Inhalt noch
rege war, so setzte man, die früheren Affixe ganz oder gewöhnlich theilweis zum Wortstamme
ziehend, neue Affixe an und erzeugte so die Pronominal-Verdoppelungen an den Wortstämmen, auf
welche wir weiter unten zurückkommen werden. Uebrigens erklärt es sich leicht, dass an der
oben bezeichneten Wort-Verkürzung gerade diejenigen Sprachen am Eifrigsten Theil nehmen, deren
 
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