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FÜNFTER ABSCHNITT • JOHANN GEORG IV
dem sechsspännigen Leichenwagen der trauernde Kurfürst in seiner Karrosse, von
acht Trabanten zu jeder Seite begleitet/ dann folgten der Herzog Friedrich August
in sechsspänniger Kutsche, der Oberhofmeister von Haugwitz in einer zwei»
spännigen, der Bruder der Verschiedenen in einem Einspänner, und weiterhin
54 zweispännige Wagen mit den Herren der Hofgesellschaft. Die Bürgerwehr
präsentirte das Gewehr, alle Glocken läuteten.
Johann Georg aber hatte sich angesteckt/ bereits am 27ten verschied er an
demselben Leiden. Als letzter sächsischer Kurfürst wurde er in Freiberg begraben.
Schon am 30ten wurde die Leiche der Neitschütz ausgegraben und anderswo
verscharrt. Die Mutter wurde anderthalb Jahre im Rathaus gefangen gehalten,-
schließlich schlug Friedrich August den Prozeß nieder,- sie zog nach Gaussig bei
Bautzen, wo sie 1713 starb. Viele andre der Mitwirkung an der »Verzauberung«
des Kurfürsten Beschuldigte wurden gefoltert und bestraft330).
«
Gleich seinem Großvater hatte Johann Georg Sinn für Prunk. Er führte die
Grand Mousquetaires zu Pferde, die Grenadiers ä cheval und die Kadettenkom-
pagnie zu Fuß ein. Zur Vermählungsfeier in Torgau ließ er am 22 April 1692
das erste jener Feste aufführen, wie später sie sein Bruder unendlich vermehrte,
ohne sie an Pracht und Geschmack übertreffen zu können: es war ein Kopf-
rennen, wo gegen Türkenköpfe eingehauen wurde und dann Quadrillen geritten
wurden, wobei jedes Pferd an Schweif, Mähne und Sattel in einer durchgehenden
Farbe geschmiidct war. Der prächtige Querfolioband, von mäßigeren Abmes»
sungen als die unter Friedrich August folgenden, wird unter Ca 188 im Kupfer»
Stichkabinett bewahrt. Die groben deutschen Komödianten mußten dem Kur»
fürsten mißfallen: er entließ sie allesamt,- im übrigen waren die Ansprüche an die
Musik gering: die Trabantenmusik bei Tafel bestand nur aus einer Trommel,
einer Querpfeife, einer Laute, einer Geige und einer Dulcine, Falkenmeister
war unter ihm 1692 Heinrich VI GrafReuß,- schon 1694 wurde dieser durch den
Grafen Johann Christof von Königsmark ersetzt, der noch in demselben Jahr in
Hannover infolge seines Verhältnisses mit der Kurprinzessin Sofie Dorotea
spurlos beiseite geschafft wurde.
Auf wirtschaftlichem Gebiet ist 1693 die Errichtung einer neuen Münzstätte
in Leipzig zu erwähnen <die bis 1763 bestand),- die Ausbeute an Kobalt betrug in
Schneeberg vonl691 bis 1697 über 32000 Zentner. 1692 vollendete Veit Ludwig
von Seckendorf, der Freund Speners, in seinem Todesjahr sein großes Werk

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