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VIERTES BUCH • 1625-1710

wurden schon drei Damen genannt, zwischen denen er seine Huld teilte, das
Fräulein von Klengel, die Gräfin Aurora von Königsmark und das Fräulein
von Altheim,-1696 trat auf dem »Musenfest« vom 16 Februar, das um sechs Uhr
nachmittags begann, die Gräfin Königsmark auf,- 1697 begannen dann seine Be-
Ziehungen zur Fürstin Lubomirska, deren Gunst er bei einem Turnir gewann,
das ihm durch einen schweren Fall einen langjährigen Schaden am linken Schenkel
zuzog.
Während solche Sittenverderbnis am Hofe herrschte, bereitete sich, in Sachsen
ebenso gut wie in Brandenburg, ein neues wissenschaftliches Leben, das 1697
durch die Begründung der Deutschen Gesellschaft in Leipzig seinen Ausdrude
fand. Der Fysiker und Matematiker Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, von
dem erst weiterhin bei der Erfindung des Porzellans die Rede sein wird, hatte seit
1687 seine großen Brennspiegel verfertigt, die im Matematischen Salon noch zu
sehn sind, und war Mitglied der französischen Akademie geworden. Namentlich
tat sich derTeolog Gott fried Arnold aus Annaberg, der in Leipzig studirt hatte
und ein Schüler Speners war, durch das gewaltigeWerk seiner »Unparteiischen
Kirchen« und Ketzerhistorie« hervor, die 1700 und 1715 zu Frankfurt am Main
in zwei dicken Foliobänden erschien, deren Vorrede aber schon vom 1 März 1697
aus Gießen datirt ist, wo er damals Rektor der Universität war. Danach wird
die Widmung des Werkes an den Kurfürsten, die der Vorrede vorangeht, auch
noch vor dessen ein viertel Jahr später erfolgtem Übertritt verfaßt worden sein,
da er sonst darin nicht die Worte gebraucht hätte, daß dessen gesamte Untertanen
»in ungekränkter Gewissensfreiheit« unter einem gesegneten Regiment und
Szepter »geruhig und vergnüget« leben könnten. Denn wenn ihn auch, wie er in
der Vorrede erklärt, »das größte Gebot unseres Schöpfers — welches ist die Liebe
gegen alle Menschen — gelehret hat nach den unsichtbaren allgemeinen Kirchen
zu sehen«, so war es ihm »schwer ja unmöglich geworden, vom Guten ohne
Liebe und Gunst, und vom Bösen ohne Abscheu zu schreiben«, da er nicht nur
die Tatsachen sondern auch den »eigentlichen Charakter und das daher formulirte
Judizium« geben wollte. Als überzeugter Verfechter des protestantischen Grunde
Satzes der Gewissensfreiheit hätte er daher nicht an einem, wenn auch blos per«
sönlichen so doch nur durch politische Rücksichten eingegebnen Glaubenswechsel
des Kurfürsten stillschweigend vorübergehen und noch weniger diesem Fürsten
das Buch widmen können,- bei der drei Jahr später erfolgten Veröffentlichung des
Buches mag er sich aber davon überzeugt haben daß der Libertritt keine weiteren
Folgen für das Land gehabt hatte,- vielleicht war er damals nicht mehr in der
Lage oder auch nicht willens, dieWidmung zurückzunehmen. In der Vorrede

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