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37. DAS PALAIS IM GROSSEN GARTEN
Der Reiz des Baues besteht in seinen guten vornehmen Verhältnissen und der maßvollen
Verzierung durch Statuen und Büsten. Mitten in einem völlig freien Platz, der vom Waldpark
umgeben ist, dehnt er sich behaglich in die Breite, ohne eine übermäßige Höhe zu erreichen. Über
einem einfachen Erdgeschoß von flachen Quadern erhebt sich das ansehnliche Hauptgeschoß, durch
ein kräftiges Gurtgesims vom niedrigen Obergeschoß gesondert. Durch die Freitreppen, die in
der Mitte der beiden Langseiten zu den mächtigen in flachem Bogen geschlossenen Portalaufbau
emporführen, erhält das Ganze einen Hförmigen Grundriß. Der gelbliche Sandstein der Schau«
Seiten zusammen mit dem flachen, reich durchgebildeten grünen Kupferdach strahlt eine wohl«
tuende Wärme aus. Den beiden Portalbauten sind gekuppelte Säulen vorgestellt, neben denen
sich Statuen in Nischen befinden. Das oberste Halbgeschoß ist mit den Büsten der zwölf Zäsaren
in Rundnischen geziert sowie mit je einer ebensolchen Frauenbüste in der Mitte jeder der vier
Schauseiten. Über der Mitte jeder der beiden Seitenfassaden ist der Namenszug des Kurfürsten
angebracht. (Abt. Gurlitt, Dresden, Taf. 25.>
Der Mittelbau bildet einen einzigen großen Saal von etwa 25 zu 10 Meter (Abb. ebendort
Nr. 327>, der durch zwanzig vorgelagerte Säulen von rotem Stucco lustro gegliedert wird, in der
Höhe des einbezognen Halbgeschosses eine reich mit Studc verzierte Wölbung bildet und durch
eine flache Decke mit eingelaßnen Gemälden von Bottschild abgeschlossen wird. In den Nischen
sind große Standbilder von Stuck aufgestellt, oben über den Säulen zwanzig Büsten. Zu den
Seiten dieses Saales sind je drei Gesellschaftsräume angegliedert. Das Ganze ist, abgesehen von
der Vorzüglichkeit des Materials worin es ausgeführt ist, von einer Großartigkeit und Schönheit
der Anlage und Ausschmückung, die bis dahin in Deutschland nicht bekannt waren und auch durch
die Bauten Pöppelmanns nicht überboten wurden. Für die Bildhauerarbeiten kann ein gewisser
Dieritz in Betracht kommen, der in der Abschlußrechnung genannt wird (ebendort S. 464),
Um das Palais wurden in gemeßnem Abstand vier schmucklose Pavillons und weiterhin
vier entferntere gleichmäßig angeordnet. In ihnen wurde 1730 die Antikensammlung August des
Starken untergebracht, die noch Winkelmann dort studirte. Der Teich hinter dem Palais wurde
erst nach 1715 angelegt, ebenso wie das Fasanengehege, das 1720 mit einer vier Ellen hohen
Mauer umgeben wurde, die im Siebenjährigen Kriege zerstört wurde. Im September 1719 wurde
das Naturteater neben dem Teich zur Vermählung des Kurprinzen durch ein Venusfest ein«
geweiht. Vier Tore schlossen den Großen Garten ab, dessen Kreuzarme sich durch eine Länge
von fast zwei Kilometer und eine Breite von fast einem Kilometer erstreckten. Die italienischen
Marmorstatuen und Vasen fanden unter August dem Starken dort ihre Aufstellung. Erst 1878
wurden die Ecken der Südseite und 1893 die der Nordseite in den Park einbezogen.
(Gurlitt, Dresden, S. 463fgg.,- Guido Mäder, Aus Alt«Dresden. 1895,- Otto Richter, Abriß
1898, S. 25fg.,- Paul Schumann, Dresden, S. 90fg.>
38. AUGUSTS KONVERSION
War es auch den Vertretern des sächsischen Interesses, allen voran dem päpstlichen Nun«
tius Da Via, gelungen im entscheidenden Augenblick die Zweifel an Augusts Übertritt zu besei«
tigen, so blieben doch nach den Forschungen, die Philipp Hiltebrandt im vatikanischen Archiv
angestellt und 1907 veröffentlicht hat, so viel Bedenken über die Schriftstücke bestehen, welche den
Glaubenswechsel bestätigen sollten, daß diese ganze Angelegenheit im Gegensatz zu der 1843
veröffentlichten unvollständigen Darstellung des P. Augustin Theiner als eine der dunkelsten und
gewagtesten in der sächsischen Geschichte angesehen werden muß.
Zunächst ist dabei von der Persönlichkeit der beiden an der Sache Beteiligten auszugehen.
Herzog Christian August von Zeiz, geboren 1666, hatte sich 1686 an der Eroberung von Ofen
beteiligt und war dann als zweiter unter den Prinzen der sächsischen Nebenlinien — der erste
war Albert von Weißenfels gewesen, der kurz vor seinem 1692 erfolgten Tode 1687 über«

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